So erkennst Du Family-Washing bei Unternehmen

Was ist Family-Washing?

Family-Washing ist der Versuch, durch die Verwendung der Begriffe „familienfreundlich“ oder „Vereinbarkeit“ als familienfreundlicher Arbeitgeber zu erscheinen, ohne dass tatsächlich Strukturen oder Betriebsklima im Unternehmen etabliert sind, die die Bedürfnisse von Mitarbeiter:innen mit Familienaufgaben berücksichtigen. Family-Washing lässt sich auch daran erkennen, dass die Ansichten der Geschäftsführung eines Unternehmens und der Mitarbeiter:innen, dazu, ob das Unternehmen familienfreundlich ist, stark auseinander gehen. Laut Unternehmensmonitor Familie 2019 fanden z. B. 45,9 % der Unternehmen, dass sie familienfreundlich seien, aber nur 39,4 % der Beschäftigten stimmten der Aussage zu. Die Befragung zeigt auch, wie stark die Wahrnehmung von Vereinbarkeitsmaßnahmen abweicht: 

Unternehmensmonitor Familienfreundlichkeit 2019

Wie erkenne ich Family-Washing eines Unternehmens als Außenstehende:r?

Hinweise, darauf, dass ein Unternehmen Family-Washing praktiziert, lassen sich zum einen an Labels erkennen, die die Familienfreundlichkeit attestieren, ohne die Anzahl und Qualität von Familienfreundlichen Maßnahmen im Unternehmen zu untersuchen. Diese Labels oder Auszeichnungen entstehen dann z. B. aus Kundenbefragungen im Internet. Sie sind oft mit dem sehr kleingedruckten Vermerk „aus Kundensicht“ versuchen. Auch rein quantitative Erhebungen zur Anzahl der familienfreundlichen Maßnahmen sind irreführend. Verfügt ein Unternehmen beispielsweise über eine Betriebskita, im Unternehmen arbeiten aber nur 2 Eltern mit Kindern im Kita-Alter, besteht kein Fit zu den tatsächlichen familienbedürfnissen der Mitarbeiter:innen.

Warum machen Unternehmen Family-Washing?

Die Positionierung als familienfreundlicher Arbeitgeber ist einer der Schlüssel für eine attraktive Arbeitgebermarke. 91 % der Arbeitgeber:innen sagten bereits 2020 in einer Befragung des BMFSFJ, dass Ihnen Familienfreundlichkeit bei einem Arbeitgeber genauso wichtig ist wie Gehalt. 60 % der Hochschulabsolvent:innen gaben in einer Jobteaser-Umfrage 2021 an, dass Work-Life-Balance für sie zu den wichtigsten Kriterien bei der Stellenentscheidung zählt. Darum kommen Unternehmen heute nicht mehr um die Frage herum, ob sie familienfreundlich sind. Doch um diese mit Ja zu beantworten, müssen einige Kriterien erfüllt sein.

Woran erkenne ich, ob ein Arbeitgeber wirklich familienfreundlich ist oder Family-Washing betreibt?

Über Familienfreundlichkeit darf man nicht zur sprechen, sondern muss sie umsetzen. Das kann auf struktureller Ebene passieren, z.B. durch flexible Arbeitsmodelle, die Möglichkeit zu Führen in Teilzeit, Jobsharing, Topsharing, die Möglichkeiten zu Home Office, Remote Work uvm.

Aber auch die Unternehmenskultur bzw. das Betriebsklima entscheiden über die echte Familienfreundlichkeit eines Unternehmens. Eine Familienfreundliche Kultur zeigt sich an diesen Fragen:

  • Sind die Bedürfnisse und Verantwortungen von Mitarbeiter:innen hinsichtlich der Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben bekannt? Entweder individuell oder auch anonym z.B. durch regelmäßig Mitarbeiter:innenbefragungen?
  • Wie wird im Unternehmen über Schwangerschaft, Elternschaft und Familienverantwortungen, z.B. Pflege gesprochen? Ist dies stigmatisiert? Drohen negative Effekte, wenn eine Schwangerschaft verkündet wird? Oder haben Eltern die Möglichkeit sich offen über ihren Alltag zwischen Kind und Job austauschen?
  • Was sagen Mitarbeiter:innen des Unternehmen z. B. auf Arbeitgeber-Bewertungsportalen wie Kununu.de, über die Work-Life-Balance im Unternehmen?
  • Werden familienfreundliche Maßnahmen und Angebote offen kommuniziert? Können sie von allen Mitarbeiter:innen genutzt werden? Oder gilt z. B. Teilzeit als eine Ausnahme, die nur Mütter nutzen (sollen)?
  • Gibt es zentrale Ansprechpartner:innen für Vereinbarkeitsthemen und -angebote, wie z.B. Family Career Berater:innen, Vereinbarkeitstrainer:innen und/oder Gleichstellungsbeauftragte?

Absolute No-Go’s für Familienfreundlichkeit und Warnsignale für Family-Washing:

  • Fragen im Vorstellungsgespräch nach der Familienplanung oder Schwangerschaft sind rechtlich unzulässig.
  • Auch Aussagen auf Karriereseiten wie „Wir ermöglichen Teilzeit“ sind irreführend. Nach § 8 des TzBfG hat jeder Arbeitnehmer und jede Arbeitnehmerin, der/die länger als 6 Monate im aktuellen Arbeitsverhältnis ist, das Recht Teilzeit zu verlangen. Dabei gibt es eine enorme Fülle von Teilzeit-Varianten, von Teilzeit in Elternzeit, über Brückenteilzeit bis hin zur Vollzeitnahen Teilzeit.
  • Äußern insbesondere Führungskräfte von Unternehmen, die sich als familienfreundlich präsentieren wollen, diskriminierende Äußerungen (Beispiel: Teizeitmuttis), ist dies ebenfalls ein Warnsignal. Auch Bemerkungen, die darauf abzielen die Leistung von Eltern und/oder pflegenden Angehörigen zu entwerten und zu mindern sind No-Go’s.
  • Und wichtig: Ein Familienbetrieb ist nicht automatisch familienfreundlich. Hier gilt es die Historie des Unternehmens von den aktuellen Arbeitsstrukturen getrennt zu betrachten.

Warum lohnt es sich für Arbeitgeber familienfreundlich zu sein, statt nur Family-Washing zu betreiben?

Die Investition in Familienfreundliche Angebote im Unternehmen verbessert die Mitarbeiter:innenzufrieden, reduziert Fehlzeiten, senkt die Kündigungsrate vergrößert den Bewerber:innenpool, wirkt sich auf Employer-Branding und Unternehmensimage aus und steigert die Innovationsfähigkeit. Laut BMFSFJ bringen Vereinbarkeitsmaßnahmen Unternehmen sogar ein Renditepotential von bis zu 40 %. Entscheidend ist dabei Familienfreundlichkeit von Innen nach außen zu denken. Also Vereinbarkeitsmaßnahmen und eine familienfreundliche Kultur intern etablieren und die Erfolge, die sich daraus ergeben, dann nach nach Außen zu kommunzieren.

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