Erstmal Elternzeit statt Jobwechsel? – Tipps für die berufliche Umorientierung vor, während und nach der Elternzeit

Unglücklich im Job? Ein Ja auf diese Frage sollte eigentlich direkt zur Suche nach einem neuen Job führen. Doch gerade in der Lebenphase der Familiengründung schieben Frauen eine berufliche Veränderung auf und werden „erstmal schwanger“. Dabei schließt die Familienplanung einen Wechsel in passendere Positionen und Tätigkeiten nicht aus, erklärt MMBC MMBC-Member, Führungskraft und ehemalige Personalerin Kathrin Aehling im Interview. Sie hat uns einen Einblick in die Kriterien gegeben, auf die sie bei Bewerber:innen achtet. Außerdem sprechen wir mit ihr darüber, wie familienfreundliche Unternehmen und sie gibt konkrete Tipps für Mütter, die sich während der Elternzeit oder danach beruflich umorientieren möchten: 

MMBC-Member Kathrin Aehling ist Head of Channel Distribution & Electrician und war zuvor 9 Jahre Personalerin

Du bist ehemalige Personalerin und Vollzeit Working Mom, darum an Dich die Frage: Was ist aus Deiner Erfahrung besonders wichtig, wenn man als (angehende) Mutter seinen Wiedereinstieg plant?

Erst mal ist aus meiner Sicht bereits der „Ausstieg“ in die Elternzeit wichtig: ich erlebe immer wieder Frauen, die im aktuellen Job nicht besonders glücklich sind und dann (statt sich um einen neuen Job zu kümmern) die Entscheidung treffen erst einmal schwanger zu werden und in Elternzeit zu gehen. Das ist aus meiner Sicht ein großer Fehler, denn es führt es dazu, dass erwartungsgemäß die Motivation in den ungeliebten Job zurückzukehren nicht besonders groß ist und aus der Situation heraus die Elternzeit am Ende oft deutlich ausgeweitet wird oder diese Frauen nur mit sehr wenigen Stunden zurückkommen. Beides erschwert bekanntermaßen die Rückkehr insbesondere in „spannende“ Jobs. Viel einfacher ist es, sich in einen erfüllenden Job „hineinzuarbeiten“ – denn diesen macht man erfahrungsgemäß mit mehr Leidenschaft und Engagement als unliebsame Jobs, hier ist also auch die Rückkehrmotivation viel größer – und dann in die Familienplanung zu gehen und Elternzeit zu nehmen. Erfahrungsgemäß sind Führungskräfte in diesem Fall auch viel gewillter dir einen Job freizuhalten oder einen spannenden neuen Job in Aussicht zu stellen. Sprich die Rückkehr aus der Elternzeit sollte schon gleich zu Beginn der Familienplanung mitgedacht werden. Nur dann kann ich einen guten Plan entwickeln und diesen auch klar kommunizieren. Für Arbeitgeber ist ein „ich weiß noch nicht, wann ich aus der Elternzeit zurück kommen werde“, schwierig planbar. Hier empfehle ich einen klaren Zeithorizont zu kommunizieren – anpassen kann ich diesen später im Zweifel immer noch einmal.

Seit 9 Jahren arbeitest du bei Schneider Electric und hast damals 6 Monate Elternzeit genommen. Wie bist du die Planung, Kommunikation und evtl. berufliche Umstände angegangen? Gibt es etwas, das du rückblickend anders machen würdest?

Für mich war der Beruf schon immer wichtig, ich arbeite gerne und mein Job macht mir großen Spaß. Von daher war für mich immer klar, ich möchte mir die Care-Arbeit (im Sinne einer gleichberechtigten Elternschaft) mit meinem Partner teilen. Wir haben uns deshalb bereits vor der Schwangerschaft darauf verständigt, auch die Elternzeit 50/50 zu teilen und dann anschließend beide weiterhin Vollzeit zu arbeiten. Genau diesen Plan habe ich dann auch so transparent mit meinem Chef besprochen und wir haben gemeinsam festgelegt, dass ich nach meiner Elternzeit den nächsten Karriereschritt mache und auf einer neuen Funktion zurückkommen werde. Ich habe dann vor meinem Mutterschutz auf der alten Funktion noch meinen Nachfolger im Talent Management eingearbeitet und bin nach 6 Monaten als Senior HR Business Partner zurück gekommen. Das klingt jetzt rückblickend alles super easy, war es aber natürlich nicht. Angefangen von den kritischen Stimmen aus dem eher traditionell eingestellten Umfeld bis hin zur Tatsache, dass unsere Tochter noch am Tag bevor ich zurück in den Job bin, voll gestillt wurde, weil sie die Flasche und den Brei verweigerte, gab es viele Hindernisse. Aber die haben wir gemeinsam genommen.

Als Personalerin und Führungskraft sind die Lebensläufe und Bewerbungen zahlreicher Personen über Deinen Tisch gewandert. Gibt es Faktoren, Merkmale, die Deine Aufmerksamkeit dabei besonders anziehen? Und was hältst Du davon, wenn Bewerber:innen ihre familiäre Situation in der Bewerbung sichtbar machen?

Das ist eine schwierige Frage, die ich nur für mich beantworten kann. Wohlwissend, dass leider auch viele Personaler „Opfer“ einer noch stark traditionell geprägten Unternehmenskultur sind und/oder eigenen „Biases“ unterliegen.

Grundsätzlich bin ich persönlich aber immer eine Verfechterin von Transparenz und Offenheit. Die Frage, die ich mir doch stellen muss, ist die: „Habe ich Lust in einem Unternehmen zu arbeiten, bei dem ich nur eine Stelle bekomme, wenn ich meine Kinder verheimliche?“ Andererseits ist natürlich nicht jede so privilegiert, sich das Unternehmen aussuchen zu können und gibt es tatsächlich auch heute noch ganze Branchen, die eher tradiert sind. Anders sehe ich das beim Thema Arbeitszeit: hier würde ich mich tatsächlich auch dann auf eine 100% Stelle bewerben, wenn ich nur 80% arbeiten möchte. Denn viele Personaler sortieren die Bewerbungen erst einmal nach Hard-Facts, sprich da schaut dann im Zweifel noch nicht mal jemand auf meine Qualifikationen und Erfahrung, wenn ich gleich zu Beginn ehrlich bin. Wenn ich dann zum Gespräch eingeladen bin und am Ende des Gespräches sehr charmant die Frage platziere, ob auch 80% denkbar wären, ist die Wahrscheinlichkeit viel Größer, dass die Führungskraft – wenn sie von mir als Bewerberin überzeugt ist – sich darauf einlässt. Und wenn nicht, dann sagst du halt ab. Hat den Vorteil, dass du die Bewerbungssituation „üben“ konntest, dein Selbstwert durch die Einladung gesteigert wurde und das Unternehmen im besten Fall merkt: „Mist, wenn ich keine Teilzeit möglich mache, gehen mir gute Kandidatinnen durch die Lappen“. Grundsätzlich ist es so, dass immer noch viele Frauen denken „Ich kann mich nur auf einen Job bewerben, wenn ich mindestens 90% der in der Stellenausschreibung gewünschten Qualifikationen & Merkmale mitbringe“. das ist Quatsch! Die Stellenausschreibung ist eine „Wunschliste“, kaum ein Kandidat, kaum eine Kandidatin erfüllt alle Kriterien. Hast du Lust auf den Job? Dann bewirb dich und versichre dich bestmöglich für diesen Job zu verkaufen! Mehr als eine Absage kann nicht passieren.

Für wie wichtig hältst Du es, dass sich auch Unternehmen bei potentiellen Bewerber:innen als familienfreundlich präsentieren und wie können sie das tun?

Ich erlebe Gott sei Dank, dass die Familienfreundlichkeit immer wichtiger wird. Nicht zuletzt, weil es mehr und mehr ein „Elternthema“ und nicht nur ein Thema von uns Frauen ist. Gerade in Branchen, in denen der Fachkräftemangel extrem zu spüren ist, gibt es da heute für Unternehmen eigentlich gar keine Wahl mehr – und das ist gut so! Entscheidend hierbei ist natürlich, dass das nicht nur ein reines „Branding-Thema“ ist, es muss dann auch die passende Unternehmenskultur geben. Momentan erlebe ich noch häufig, dass viel Versprochen wird, es in der Umsetzung dann aber doch immer noch harkt. Und tatsächlich denke ich, dass der Prozess im Unternehmen oft zu stark auf die Frauen ausgerichtet ist. Wenn wir bedenken, dass für jeden Mann der 6 Monate Elternzeit nimmt eine Frau früher wieder in den Job zurück kehren kann, dann sollten Unternehmen anfangen, die Männer dabei zu unterstützen in Elternzeit zu gehen. Auch bei uns war es so, dass das Thema Elternzeit für mich viel einfacher „durchzubringen“ war als für meinen Partner.

Letzter Punkt: Welche Karrieretipps würdest du Müttern unserer Community mitgeben, die kurz vor dem Wiedereinstieg stehen oder sich bewerben?

Ein paar habe ich ja in den vorherigen Antworten bereits gegeben: Der für mich wichtigste Punkt ist, dass wir an unserer inneren Haltung arbeiten. Empfinde ich – einem potenziellen Arbeitgeber gegenüber – die Elternschaft oder Elternzeit als „Makel“ im Lebenslauf, dann strahle ich das leider oft auch aus. Wir sollten damit genauso selbstverständlich umgehen wie unsere männlichen Kollegen. Und Fragen nach „wer betreut denn dann das Kind, wenn Sie arbeiten?“ darf man auch gerne mal mit „wer macht das denn bei Ihnen?“ oder „stellen Sie diese Frage auch männlichen Bewerbern standardmäßig? Wenn ja, beantworte ich Sie ihnen gerne, wenn nein, gehen sie davon aus: für mein Kind ist gesorgt!“ beantworten.

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