„Wenn der Job eine Mutter an ihre Belastungsgrenze bringt, würde es der Situation nicht gerecht, nur auf ihr Berufsumfeld zu schauen“

MMBC-Member Charlotte von Mangoldt arbeitet als Business Coach häufig mit Frauen, die auch Mütter sind. Im Interview erzählt sie, welchen Themen sie dabei am häufigsten begegnet, was echte Aha-Momente waren und welche Fragen sie sich selbst und ihren Klientinnen stellt:

Liebe Charlotte, du bist systemische Coachin & spezialisiert auf Veränderungsmanagement. Und du bist erst nach deiner persönlichen Coachingerfahrung diesen Schritt gegangen. Was waren deine Daily Struggles für deine Veränderung und diesen Schritt?

Die Coaching-Ausbildung überhaupt zu beginnen, war ein großer Schritt für mich. Ich war in Elternzeit, verdiente keinen eigenen Euro und sollte nun viel Geld in die Hand nehmen für eine Ausbildung mit ungewissem Ausgang. Die Selbstständigkeit als Coach war ein Traum, aber war das wirklich mein Steckenpferd? Während der Ausbildung und in den Anfängen der Selbstständigkeit waren meine Struggles eher verbunden mit der kritischen Auseinandersetzung mit mir selbst: woran glaube ich und warum eigentlich? Sind die Dinge wirklich so, wie ich glaube? Womit stehe ich mir selbst im Weg? Worin liegen eigentlich meine Stärken und wieso kenne ich sie nicht?

Siehst du hier Ähnliche oder Gleiche Problematiken bei deinen Klientinnen? Welche sind das z.B.?

Ich merke immer wieder, wie heilsam die Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit ist. Dabei geht es nicht nur darum, sich Dinge von der Seele zu reden, sondern den Spiegel von einer objektiven, wertschätzenden Person vorgehalten zu bekommen, die die ganz persönliche Realität der Klientin hinterfragt. Auch merke ich, wie die Elternzeit bei all den positiven Aspekten oft Unsicherheiten und Selbstzweifel bei Müttern entstehen lässt. Die beruflichen Erfolge geraten aus dem Blick und man vergisst regelrecht, welche Talente und Stärken man hat. Ein Coaching ist eine tolle Möglichkeit, sich gemeinsam auf die Suche nach den vorhandenen Ressourcen zu machen und neue Energie, neues Vertrauen in sich selbst zu gewinnen.

Als Coachin bist du eher im Business-Kontext angesiedelt. Im vorigen Austausch mit dir hast du jedoch erzählt, dass es oft gar nicht rein um berufliche Themen geht. Kannst du uns diesen Zusammenhang etwas näher bringen?

Berufliche Themen sind in aller Regel die Startpunkte, mit denen Coachees zu mir kommen. Einen Business Coach zu haben, klingt ja auch nach Karriere und hat nicht den leicht esoterischen Touch der Bezeichnung „Life Coach“. Doch wir sind beruflich keine anderen Menschen als privat, selbst wenn wir in bestimmte Rollen schlüpfen. Wir alle handeln nach bestimmten Mustern und Glaubenssätzen, die meist schon in der Kindheit entstanden sind und eventuell erst jetzt hinderlich werden. Zu ergründen, woher Glaubenssätze wie „Ich bin nicht gut genug“ oder „Ich darf keine Fehler machen“ kommen, kann dabei helfen, sich selbst, sein Verhalten und Hadern besser zu verstehen und Lösungswege zu finden. Genauso könnte es für eine Klientin, die sich beruflich neu orientieren möchte, hilfreich sein, private Erfolge oder Talente aus der Kindheit und Jugend zu reflektieren, die irgendwann in Vergessenheit geraten sind, weil ein bestimmter Berufsweg eingeschlagen wurde. Es gibt übrigens auch Erkenntnisse aus der Familienforschung darüber, dass unsere Rolle innerhalb der Familie und insbesondere unter Geschwistern beeinflusst, wie wir später mit ArbeitskollegInnen umgehen. Der Blick auf das private Ich kann folglich viele unterbewusste Fragen unserer Persönlichkeit klären und damit überhaupt dem großen, ganzen Bild einer Person gerecht werden – egal in welchem Kontext sie sich bewegt.

Was genau bedeutet ganzheitlich und systemisch in Deiner Arbeit?

Ich coache nach systemischen Prinzipien. Das bedeutet einerseits eine bestimmte Grundhaltung, die auf einer wertschätzenden, ressourcenorientierten Begleitung (nicht Beratung!) der Coachees beruht. Darüber hinaus bedeutet systemisch, dass ich mir ein ganzheitliches Bild meiner Coachees mache: in was für einem Umfeld arbeiten sie? In welcher Beziehung stehen sie zu ihrem Team, zu ihren Vorgesetzten? Wie ist die familiäre Situation, wie sind die privaten Rahmenbedingungen? Hier landen wir wieder bei den großen Überschneidungen zwischen privatem und beruflichem Kontext. Wenn der Job eine Mutter an ihre Belastungsgrenze bringt, würde es der Situation nicht gerecht, nur auf ihr Berufsumfeld zu schauen, denn ihr zweiter Job findet zu Hause statt und trägt vielleicht seinen Anteil an dem Überlastungsproblem, das erst einmal nur mit dem Business in Verbindung gebracht wurde. Sich die gesamte Lebenssituation mitsamt den jeweiligen Beteiligten anzuschauen, bietet viel mehr Stellschrauben für eine Veränderung.

Was sind z.B. Probleme, die sich während es Coachings ergeben und wo/wie gehst du diese an?

Die große Herausforderung in Coachings ist die Ungewissheit, wohin es geht. Für beide Seiten ist es eine Expedition. Oft ergibt sich in einer Sitzung plötzlich eine ganz neue Fragestellung oder Erkenntnis für den Coachee. Darüber nicht hinwegzugehen, sondern den Punkt aufzugreifen, zu beleuchten und damit ggf. eine andere Abzweigung zu nehmen, erfordert Konzentration, Empathie und Selbstreflektion. Wenn ich merke, dass ich am liebsten meinem Faden folgen und die mir auf der Zunge liegenden Fragen loswerden möchte, bremse ich mich innerlich mit folgender kurzer Frage: „was hilft meiner Klientin jetzt in diesem Moment am meisten weiter?“. Loszulassen und dem neuen Weg zu folgen, ist für jemanden wie mich, der liebend gerne vorplant, immer wieder eine schöne Erfahrung.

Wenn du an deine bisherigen Coachings denkst, gibt es sicherlich ein paar wiederkehrende "Aha-Momente" bei deinen Klientinnen/ bei dir. Kannst du uns hieraus 2-3 Tipps für unsere Community von Working Moms mitgeben?

Ich erlebe, dass insbesondere Mütter kaum Zeit für sich selbst haben. Zeit, in der sie nichts für Mann, Kinder, Freunde, Job oder Haushalt tun. Vor meiner Ausbildung habe ich mir mal die Frage gestellt, was ich tun würde, wenn ich einen halben Samstag „frei“ hätte – ich wusste es nicht. Die Frage klingt erst einmal banal und doch lohnt es sich, mal darüber nachzudenken: was mache ich wirklich gerne? Wobei vergesse ich die Zeit? Und warum genau, was bringt es mir? Es geht nicht darum, zwanghaft eine neue Aktivität im Alltag unterzubringen. Es hilft schon, sich zu überlegen, wie kleine, wohltuende Dinge – Yoga, Atemübungen, ein Zeitungsartikel, ein Podcast, das Lieblingslied etc. pp. – ihren festen Platz im Alltag finden können. Bevor der Laptop aufgeklappt wird, bevor die Kinder abgeholt werden, vor dem Schlafengehen. Oder man stellt sich den Wecker morgens einfach mal 15 Minuten früher und genießt die Ruhe, wenn der Rest der Familie noch schläft. Was tut mir gut und was brauche ich, für mich?

Vielen Dank für das spannende Gespräch! Mehr zu  Charlotte von Mangoldt erfährst du im Mama Meeting Business Club und auf Charlottes Webseite: mangoldt-coaching.de/

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