„Die Stelle geht einfach nicht in Teilzeit“, hörst Du als Mama nach der Rückkehr aus der Elternzeit von KollegInnen, Vorgesetzten oder sogar den Stimmen in Deinem Kopf? Wenn Du als Mama nicht Vollzeit arbeiten kannst oder willst, sollst Du Kompromisse schließen? Leider heißt das im Joballtag häufig: weniger anspruchsvolle Aufgaben, weniger Verantwortung. Aber why change the mom, when you can change the system? Jobsharing, auch bekannt als Tandem-Stellen, scheinen für arbeitenden Mamas eine gute Option, um weiterhin das zu tun, worin Du gut bist, ohne, dass Arbeiten liegen bleiben. Wir teilen uns schließlich auch die Care-Arbeit. Warum also im Job alles auf nur ein paar Schultern laden? Personalberaterin mit Fokus auf New Work Virginia Thrun hat unsere Fragen rund um Jobsharing und Tandem beantwortet:

Virginia Thrun ist die Inhaberin von New Work People

Gibt’s eine Definition von Jobsharing/Tandem und was ist demnach Teil dieses Arbeitsmodells und was nicht?

Zunächst einmal vorweg: Das Schöne an der modernen Arbeitswelt im Sinne von New Work ist, dass man sich von starren Definitionen lösen kann und frei darin ist, Modelle komplett individuell für sich auszugestalten.

Per Definition handelt es sich bei Jobsharing Modellen um mindestens zwei Personen, die sich die Inhalte eines Arbeitsplatzes teilen. Dabei gibt es sehr unterschiedliche Konstellationen, von klassisch 50/50 (100%), aber auch hin zu Stellen, die über 100% hinausgehen (z.B. 50/70 oder 75/75). Immer häufiger gibt es auch Beispiele, in denen zwei Vollzeitkräfte eine Stelle besetzen. Das macht z.B. gerade bei den immer komplexeren Anforderungen an Führungspositionen absolut Sinn (in dem Fall spricht man von Topsharing), aber auch Projektmanager-Stellen können von mehreren Personen geteilt werden.

Wie eingangs erwähnt, sollte sich jedes Unternehmen lösen von Definitionen und einfach ausprobieren, was am besten zur eigenen Kultur und vor allem zu den Menschen passt, die diese Positionen mit Leben füllen.

Bedeutet Tandem/Jobsharing immer nur zwei MitarbeiterInnen, die sich eine Stelle teilen oder gibt’s auch dreier, vier Tandems? Und geht nur eine 50/50 Stellenaufteilung beim Jobsharing oder sind auch andere Kombinationen möglich?

Es gibt sehr viele unterschiedliche Konstellationen. Gängig sind aktuell noch zwei Mitarbeiter, aber es werden immer häufiger Alternativen zu klassischen Modellen getestet. Meine These ist, dass es zukünftig immer mehr innovative Arbeitsmodelle geben wird. Es gibt progressive Unternehmen, die Jobsharing schon jetzt incentivieren, indem zwei Mitarbeiter bis z.B. 80% als nur ein Headcount gezählt werden. Man bekommt also über 100% Arbeitszeit ohne den Headcount respektive zu erhöhen.

Im Idealfall überlegen sich die Mitarbeiter im Vorfeld, wie ein ideales Modell aussehen könnte und präsentieren den Entscheidern einen konkreten Vorschlag. Fertige Vorschläge, die proaktiv initiiert worden sind, haben eine höhere Umsetzungsquote, weil die Motivation der Mitarbeiter intrinsisch ist, man an der Gestaltung mitgewirkt hat und somit die Erfolgsaussicht höher ist.

Muss man im Tandem zwingend zeitversetzt arbeiten? Also eine Mitarbeiterin z.B. immer vormittags und eine immer nachmittags?

Es gibt bestimmt einige wenige Unternehmen, bei denen die Arbeitsabläufe dies erfordern, aber die Regel ist eher, dass man als Tandem keinesfalls zeitversetzt arbeitet, sondern eher als Team mit Aufteilung der Verantwortlichkeiten nach Kompetenzen/ Talenten. Synergien zieht man eher daraus, dass man gewisse Themen aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet und einen Sparringspartner hat. Das kann unglaublich bereichernd für den Output sein.

Einmal Tandem, immer Tandem? Wie langfristig lege ich mich mit dem Tandem Modell langfristig fest, was meine Arbeitszeit und mein Gehalt angeht?

Die Fälle, die ich kenne, sind so glücklich mit ihrem Tandem Modell, dass sie es sich kaum noch anders vorstellen können. Aber natürlich kann man auch wieder zurückkehren zu einem Solo Modell, wenn man merkt, dass es mit dem Tandem einfach doch nicht passt. Man sollte immer offen kommunizieren können und die Ergebnisse regelmäßig aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten und bewerten.

Dabei ist nichts in Stein gemeisselt. Am Ende wird es in jedem Fall eine wertvolle Erfahrung sein, da es ein Scheitern an dieser Stelle nicht gibt.

"Neue Wege gehen erfordert immer Mut, aber am Ende lohnt es sich immer. Und Mütter bringen übrigens besonders viel Mut und Agilität mit - Eigenschaften, die immer wichtiger in der Arbeitswelt werden."

Es sind ja nicht viele Tandem-Stellen ausgeschrieben. Wie ist also das beste Vorgehen als Bewerberin? Sollte ich explizit in meine Bewerbung schreiben, dass ich ein Tandem befürworte oder sollte ich mir schon vor der Bewerbung eine Tandem-Partnerin suchen und wir bewerben uns gemeinsam auf die Stelle?

Letzteres ist definitiv besser, da man dem Arbeitgeber eine fertige Lösung präsentiert, hinter der man auch noch steht. Am Ende muss das Tandem vor allem menschlich zusammenpassen und darüber sollten im Idealfall die Tandempartner selbst entscheiden. Je konkreter man in einer Bewerbung die Vorteile herausstellt (z.B. durch Fokus auf unterschiedliche Kompetenzen, Mitsenden eines Beispiel-Planes für eine Arbeitswoche), desto konkreter kann sich der Arbeitgeber ein Bild davon machen, welche Vorteile so ein Modell für ihn hätte.

Meine Erfahrung als Personalberaterin mit Fokus auf moderne Arbeit ist, dass viele Arbeitgeber offen für Tandemlösungen sind, aber einfach nicht wissen, wie sie dieses Thema angehen sollen und wo sie Tandems finden sollen.

Mütter eignen sich natürlich ideal für Tandemlösungen, da viele K.O.-Kriterien, die einer Karriere mit reduzierter Arbeitszeit bisher im Wege standen, damit wegfallen.

Aber dies gilt auch immer häufiger für Väter und Projekt-/Führungspositionen. In der Arbeitswelt tut sich gerade sehr viel. Klassische Arbeitszeitmodelle werden aufgebrochen und neu gedacht. Und da vieles für alle Beteiligten neu ist, kann man auch sehr viel mitgestalten. Wo man mitgestalten kann, werden eigene Wünsche und Vorstellungen berücksichtigt, daher eine perfekte Zeit für unkonventionelle Lösungen.

Hast Du Tipps für ArbeitgeberInnen, die Tandem-Stellen oder Jobsharings ausschreiben wollen?

Eine klassische Stellenausschreibung ist meiner Meinung nach nicht der ideale Weg für die komplette Neubesetzung eines Tandems. Ich empfehle, zuerst intern zu schauen. Oft schlummern Talente in den eigenen Reihen, die völlig ungesehen sind. Diese transparent zu machen und interne Vernetzung zu ermöglichen, ist der erste Weg zu einem Tandem und im Übrigen zu vielen anderen Synergien im Rahmen der Personalentwicklung.

Wenn intern wirklich alle Möglichkeiten ausgeschöpft und auch baldige Rückkehrer aus Elternzeit etc. berücksichtigt worden sind, würde ich den Weg über Beratungen wählen, die sich auf Matching spezialisieren und z.B. auch Tandems vermitteln.

Für die Ergänzung eines Tandems (interner Partner ist vorhanden, extern sucht man nach einem Match) kann man durchaus die klassische Stellenanzeige z.B. mit einem Vorstellungsvideo des internen Partners wählen. Dieser sollte an der Auswahl immer beteiligt sein und ein Vetorecht haben, da eine Zusammenarbeit im Tandem sehr eng ist und es dafür menschlich einfach passen muss.

Beim Jobsharing wird ein Aufgabenfeld geteilt und die doppelten Kompetenzen bringen vielfache Vorteile für alle!

Werden Mamas beim Jobsharing/Tandem bevorzugt oder kann jede/jeder an diesem Arbeitsmodell teilnehmen?

Dies hängt natürlich von der Kultur im Unternehmen ab, aber generell werden ja mittlerweile auch viele flexible Arbeitszeitmodelle von Menschen genutzt, die auch ohne Kinder nicht mehr klassisch 40 Stunden pro Woche arbeiten wollen, weil sie mehr Freizeit haben wollen (z.B. Pflege von Angehörigen, Hobbies, Reisen). Familienfreundliche Unternehmen konzentrieren sich mit solchen Modellen natürlich zunächst einmal auf Mütter und Väter, um ihnen auch mit reduzierter Arbeitszeit eine spannende Karriere zu ermöglichen und für sich selbst die Vorteile dieser Talente auszuschöpfen.

Die Hausarbeit teilen wir uns ja auch auf. Wäre es theoretisch möglich, dass alle Menschen im Jobsharing bzw. Tandem arbeiten? Was wären die Auswirkungen?

Das ist eine spannende Frage und ich könnte hier sehr weit ausführen, da ich ein großer Fan von innovativen und unkonventionellen Wegen und Lösungen bin. Konzentrieren wir uns auf das Bekannte, erreichen wir Bekanntes. Verlassen wir die Komfortzone und denken wir wirklich „out-of-the-box“, ist alles möglich. Sky is the limit!

Da wir uns mitten im Wandel befinden und es da draussen viele Visionäre gibt, würde es mich nicht wundern, wenn wir bald vom ersten Unternehmen hören, das ausschließlich Tandems hat (zumindest ist mir das bisher noch nicht bekannt gewesen). The system is definitely changing – now!

Vielen Dank für das spannende Gespräch! Mehr rund um New Work für Mamas und Virginas Unternehmen findest Du auch auf: New Work People

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