So manch Eine denkt sich noch während der letzten Urlaubstage: „Könnte ich nicht für immer hier bleiben?“ Leben in einem anderen Land, am besten in einem südlichen, mit viel Sonne. Das ist für viele ein heimlicher Traum. Carolin von der Mosel ist das Abenteuer Auswandern vor 10 Jahren angegangen. Sie hat in Spanien studiert, inzwischen eine Familie gegründet und arbeitet für ein Tech-Unternehmen in Barcelona. In ihrem jetzt erschienen Buch „The Mothers Mindset Change“ erzählt sie, wie sie Kind und Karriere in Spanien zusammenbringt und erklärt wie der Mindset Change ihr mehr Zufriedenheit im Familien- und Berufsleben gebracht hat.

Wie sind die Regeln zu Mutterschutz/Elternzeit in Spanien? Wann und wie bist du nach der Geburt zurück in deinen Job

In Spanien gibt es 16 Wochen bezahlte Elternzeit (100% des Gehalts) für Mamas, was wirklich wenig ist, besonders wenn man stillen möchte. Danach kann man noch um ein weiteres Jahr verlängern, dann jedoch unbezahlt. Die Stelle und Konditionen werden während des gesamten Jahres frei- und beibehalten.
Neu und positiv ist, dass Papas ab 2021 ebenso 16 Wochen 100% bezahlte Elternzeit haben. Ich bin nach 7 Monaten wieder Vollzeit zurück in meinen alten Job. 

In Deutschland geht es bei der Vereinbarkeitsdiskussion häufig um das Thema Teilzeit versus Vollzeit. Mütter müssten in der Karriere zurück stecken, weil sie nur Teilzeit arbeiten, so die häufige Begründung. In Spanien kehren Frauen zügig in die Vollzeit zurück. Können sie darum nahtlos ihren Berufsweg fortsetzen? Was sind die Herausforderungen beim Wiedereinstieg für Mütter nach der Geburt in Spanien?

Das stimmt. In Spanien ist es eher selten, dass Frauen Teilzeit arbeiten, auch wenn die Kinder noch im Babyalter sind. In meiner Firma z.B. kenne ich keine Mama, die reduziert arbeitet. Der Hauptgrund hierfür sind die allgemein niedrigen Löhne und die hohen Kosten (besonders, wenn man, wie ich in Barcelona oder auch in Madrid wohnt). Es gibt kein Kindergeld oder andere Sozialgelder.  Unter diesen Bedingungen sind sehr viele Eltern darauf angewiesen zwei volle Gehälter zu erwirtschaften.
 
Ein weiterer Grund in Vollzeit zurück zu kehren ist sicherlich für viele Frauen, keine Karrierechancen zu verpassen. Meine Firma ist da sehr offen und verfolgt nicht das Prinzip „Anwesenheit=Produktivität“. In vielen Spanischen Firmen ist dies jedoch der Fall, sodass sich viele Mitarbeiter/innen nicht trauen, den Arbeitsplatz vor dem Vorgesetzten zu verlassen. Das führt oft dazu, dass die Familie viel zu kurz kommt, die Zufriedenheit und Produktivität in Job jedoch nicht zwingend steigt. Ein absurdes, hierarchisches System. In meinem Buch diskutiere ich alternative Lösungen die sowohl Familien- als auch karriere freundlich (und dementsprechend vorteilhaft für Firmen) sind. Ich persönlich glaube, dass das beste ROWE (Results- only-work-environments) sind, wo es nicht darauf ankommt, den Bürostuhl auf Teufel komm raus 8 Stunden zu besetzen. Was zählt sind doch einzig und allein die Ergebnisse! Eltern arbeiten oftmals viel effizienter und schaffen unter Umständen in 5 Stunden genauso viel, wie der Kollege in 8. – Dafür weniger Geld bekommen? – Ist wirklich unfair!
 
Eine Sache, die in Spanien besser funktioniert ist definitiv die Ganztagsbetreuung. Kinder ab 4 Monate sind oft ganztags in Kitas und es ist relativ einfach einen Platz zu bekommen. Gesellschaftlich wird man nicht komisch angeschaut oder muss sich dafür rechtfertigen, dass man nicht reduziert, was auf jeden Fall sehr positiv ist und einem die freie Wahl lässt, was Karriere und Familie angeht. 

Ich persönlich glaube, dass das beste ROWE (Results- only-work-environments) sind, wo es nicht darauf ankommt, den Bürostuhl auf Teufel komm raus 8 Stunden zu besetzen. Was zählt sind doch einzig und allein die Ergebnisse! Eltern arbeiten oftmals viel effizienter und schaffen unter Umständen in 5 Stunden genauso viel, wie der Kollege in 8. - Dafür weniger Geld bekommen? - Ist wirklich unfair!

Dein Buchtitel lautet: The Mothers Mindset Change. Wie verändert sich unser Mindset, wenn wir Mütter werden und welchen Einfluss können wir darauf selbst nehmen?

Mama zu sein ist die einzige  Situation im Leben, die sich nicht verändern lässt. Wir „müssen“ da durch und wir wollen es möglichst perfekt machen. Es gibt keine Option das Handtuch zu schmeißen oder es halbherzig zu machen, wie so oft in anderen Lebensbereichen. Wir wissen ja eigentlich alle, dass es unmöglich ist, eine perfekte Mama zu sein, es jedoch 1000 verschiedene Wege gibt, eine großartige Mama zu sein. Trotzdem versuchen wir, dem Perfektionismus so nah wie möglich zu kommen, was von der äußeren Welt oft erschwert wird: Kritik von der Schwiegermama, überfüllte öffentliche Verkehrsmittel, die nicht für Kinderwagen gemacht sind, ein krankes Kind, gerade wenn die wichtige Präsentation ansteht usw. Eine Sache, die ich als schnell gelernt habe, war, dass wir nicht beeinflussen können was in der äußeren Welt passiert, jedoch wie wir darauf reagieren (unser Mindset). Eine weitere sehr wichtige Lektion, die ich gelernt habe, ist, dass diese positive Einstellung mir selbst gegenüber und anderen Personen in meinem Umfeld gegenüber, etwas ist, an dem ich ständig arbeiten muss. Es ist einzig und allein unsere Entscheidung, so zu denken wie wir denken und auf die Dinge zu reagieren, wie wir reagieren wollen. Im Alltagsstress schalten wir schnell in Modus „Autopilot“, und leben unbewusst und gestresst,  ohne uns darüber im Klaren zu sein, dass wir so nicht nur unsere gute Laune, und die unserer Mitmenschen verderben können. – Nein, es geht um etwas viel wichtigeres: Unsere Zufriedenheit und unseren (beruflichen) Erfolg. Was wir uns selbst erzählen ist unheimlich wichtig. In meinem Buch gebe ich arbeitenden Mamas praktische Tipps mit auf den Weg, genau daran zu arbeiten. 

In Deinem Buch spricht du vom Growth Mindset. für alle, die noch keine Zeit zum Lesen hatten: Was hat es mit Growth Mindset auf sich und welche Rolle spielt es in Deinem Buch?

Ich war früher nicht besonders gut in Mathe und ich kann mich gut daran erinnern, dass meine Eltern und Lehrer (sicherlich gut gemeint) mir folgendes mit auf den Weg gegeben haben:  „Du bist einfach nicht gut in Mathe, akzeptie das doch einfach und konzentriere dich auf Dinge, die dir liegen, wie zum Beispiel Sprachen.“ Das habe ich damals einfach so hingenommen, ohne auch nur zu versuchen, besser zu werden. Dies wäre ein gutes Beispiel für einen „fixed Mindset“, ein statisches Selbstbild, indem angeborenes Talent die einzige Variable ist. Ein „growth mindset“ ist genau das Gegenteil: Die Überzeugung, dass alles Lernbar ist. Als Mama wird man gezwungen ein „growth mindset“ anzunehmen. 
Eine Mama wächst immer. 
Dabei gibt es keine Wahl. Wachstum ist unvermeidlich. Selbst wenn Dinge schief gehen, sind Fehler dazu da, gemacht zu werden. Man kommt damit zurecht, und selbst wenn man nicht weiß, wie man weitermachen soll, muss man weitermachen. Und man findet einen Weg. Dann vielleicht einen besseren Weg. Das nennt man Wachstum.
Die Mutterschaft ist die einzige Erfahrung im Leben, die man nicht aufgeben kann, was unweigerlich dazu führt, dass man ein „Growth Mindset“  annimmt. 

Du hast Dir für den Wiedereinstieg in den Job einen Coach an Deine Seite geholt. Die hat Dir geraten: Erzähl den Leuten bei der Arbeit nicht, dass Du müde bist. Was hatte es damit auf sich?

Ich rede in meinem Buch viel von Authentizität, was ich glaube superwichtig ist, gerade, wenn es um Vereinbarkeit geht. Offen, ehrlich und transparent mit seinen Sorgen, Wünschen und Hoffnungen umzugehen, ist extrem wichtig um beides gut unter einen Hut zu bringen. 
Was auf der anderen Seite mindestens genauso wichtig ist, sind „positive self-talk“ und „personal branding“, was für mich eine super enge Verbindung hat. 
Mein Sohn Kian war noch sehr klein, als ich zurück ins Büro bin und ich habe allen, die es hören wollten oder auch nicht, erzählt wie schlecht ich schlafe und wie anstrengend doch alles ist. Obwohl dies der Wahrheit entsprach, hat mich das nicht wirklich weitergebracht. Indem ich es immer wieder für mich und für andere wiederholt habe, wurde es meine Realität. Ich konzentrierte mich nur noch auf dieses Gefühl, was ziemlich energiefressend war. Nachdem ich den Tipp von meinem Coach erhielt, nicht jedem zu erzählen wie müde ich doch bin, ging es mir auch besser. Ich sah mich selber nicht mehr als „müde Mama“ an, was zu guter letzt auch meinem „personal branding“ in der Firma half. 

Offen, ehrlich und transparent mit seinen Sorgen, Wünschen und Hoffnungen umzugehen, ist extrem wichtig um beides (Beruf und Familie) gut unter einen Hut zu bringen. 

Du sagst im Buch Motherhood verbessere viele Skills. Wo waren die Effekte bei Dir am stärksten und wie profitierst Du davon?

Grundelement war hier wieder das Thema Mindset. Als ich aus der Mamapause zurückkam, habe ich mich zunächst unsicher und weniger qualifiziert gefühlt, als meine Kollegen. Ich glaube, dass viele hier wieder die Tendenz dazu haben, die Firma, den Vorgesetzten oder die Politik in Verantwortung zu ziehen. Die haben sicherlich zu einem Großteil dazu beitragen, dass Mütter fast immer benachteiligt werden, wenn es um Karrierechancen oder Gehälter geht. Da Veränderung zu schaffen ist wichtig, jedoch nicht gerade kurzfristig. 
 
Eine andere Sichtweise ist es, bei uns selber anzufangen: Ist es wirklich der Arbeitsplatz der uns den „Mama-Stempel“ aufdrückt, oder drücken wir uns ihn selber auf und halten diese Stereotype damit genau für die Firmen/ unsere Umwelt aufrecht? Trauen wir uns weniger in der Arbeit zu, weil wir Mamas sind? Sollte es nicht genau anders sein?
 
Um diese Frage zu beantworten, ist es wichtig zu erkennen, wie wir ein paar Monate oder Jahre Elternzeit vermarkten: Ich glaube die wenigsten Mamas erwähnen die Elternzeit im Lebenslauf. Ich denke, die Wahrheit ist, dass die meisten von uns es einfach nicht erwähnen, da wir anscheinend nichts gelernt haben, zumindest nichts Arbeitsbezogenes.

Mütter scheinen ihre Erfahrung nicht zu verkaufen, was dazu führt, dass genau das eintritt: So wie wir uns selber sehen und und darstellen, so werden wir auch gesehen. 

Was ich gelernt habe, ist, dass Arbeit und Leben nicht getrennt voneinander zu sehen sind und dass das, was man in dem einen Bereich lernt, tatsächlich im anderen Bereich angewendet werden kann. Ein Beispiel dafür sind instrumentelle Spillovers, die in einem Bereich erworben oder gefördert werden und auf den anderen Bereich übergreifen (Werte (z.B. Diversität), Fähigkeiten (z.B. Excel-Tabellen verwenden) und Verhaltensweisen (z.B. ethisch handeln).

Ganz konkret gibt es einige Eigenschaften, die durch die Mutterschaft verstärkt werden, wie z.B. Verletzlichkeit, Bescheidenheit, Inklusivität, Großzügigkeit, Ausgeglichenheit. 
Alle diese weiblichen Eigenschaften sind wichtig, um eine gute Führungspersönlichkeit zu sein, und zwar nach der Servant Leadership-Methode, die von vielen Spitzenunternehmen mit großem Erfolg angewandt wird. Das wichtigste ist nur: Wir müssen uns dessen bewusst werden, dass wir gewachsen sind und dass wir gelernt haben. Dann sieht es auch die Aussenwelt! 

Dein Tipp um Working Mom Stereotype zu besiegen:

Genau wie oben beschrieben: Wir müssen selber unsere Denkweise ändern, damit der Stereotype sich verändert. 
Glücklicherweise ist es dem Einzelnen überlassen, wie er die Stereotypen betrachtet. Es ist wichtig, sich ihrer bewusst zu sein, ebenso wie das Wissen, dass es letztlich in unserer Macht liegt, auf den Zug der Stereotypen aufzuspringen oder nicht. Auf lange Sicht könnte die individuelle Macht eines jeden von uns die Stereotypen verändern, die die Gesellschaft über uns hat, zum Beispiel als berufstätige Eltern. 
Eine wichtige Erinnerung: „So wie wir unser Denken ändern, so ändern wir auch unsere Leistung und, ganz real, unsere Fähigkeiten“.  

Wir bedanken uns ganz herzlich für das spannende Gespräch. Carolins Buch The Mothers Mindset Change gibt es bei Amazon als ebook und Paperback. 

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