Kitaplatz einklagen. Wann und wie geht das?

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„Ab eins hast Du Anspruch auf einen Kita-Platz!“ „Nein, ab drei Jahren, aber nicht wenn das Kind im März geboren ist.“ „Leo wird zwei im November und wir haben immer noch keine Zusage für eine Betreuung.“ „Wenn‘s keine Plätze gibt, können auch keine vergeben werden.“ So laufen täglich Gespräche auf Spielplätzen und in Kindercafes zwischen verwirrten und zum Teil verzweifelten Müttern. Obwohl es seit 2013 einen gesetzlichen Anspruch auf Betreuung gibt, wissen die wenigstens wie dieser zu deuten ist. Christoph Krosch von Klages Glaser Krosch sitzt diesen Eltern oft gegenüber und klärt darüber auf, wie es um Betreuungsanspruch und Verdienstausfälle rechtlich steht.

Lieber Christoph, seit 2013 gibt’s ein Gesetz, das den Betreuungsanspruch regelt. Was steht da eigentlich drin und kannst Du uns das für Nicht-Juristen erklären? Bedeutet „Anspruch“, dass wir Working Moms einen Kita-Platz bekommen müssen oder nur, dass man uns gerne einen gegeben hätte, wenn es denn welche gäbe?

Christoph Krosch: In der Tat kommt man hier bei den verschiedenen Informationen der Behörden, Presse und auch Freunden durcheinander. Daher möchte ich das kurz klarstellen: Jedes Kind hat ab dem Tag des ersten Geburtstages (und nicht erst ab Beginn des darauf folgenden Kindergartenjahres) einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz in einer Kindertageseinrichtung oder bei einer Tagespflege. Die Kommune kann sich nicht damit rausreden, dass es ist nicht genug Plätze gibt. Gerade bei der Tagespflege gibt es oft nur unzureichende Vermittlungsangebote, weil die Tagespflegeperson entweder faktisch gar kein Platz zur Verfügung hat, die Betreuungszeiten für berufstätige Eltern nicht ausreichend sind oder die Entfernung unzumutbar ist. In solchen Fällen hat die Kommune den Rechtsanspruch nicht erfüllt, so dass man ein Klageverfahren und ein sogenanntes gerichtliches Eilverfahren auf kurzfristige Bereitstellung eines Betreuungsplatzes einleiten kann.

Christoph Krosch von Klages Glaser Krosch hilft Eltern dabei ihren Anspruch auf Kinderbetreuung und Verdienstausfall geltend zu machen

"Jedes Kind hat ab dem Tag des ersten Geburtstages (und nicht erst ab Beginn des darauf folgenden Kindergartenjahres) einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz in einer Kindertageseinrichtung oder bei einer Tagespflege."

Obwohl es ein deutschlandweites Gesetz gibt, ist Kinderbetreuung ein lokales Thema, gerade auch was die Kosten angeht. In Köln zahle ich für die Betreuung ab dem ersten Lebensjahr bis zu einem Jahr vor der Einschulung (ab August 2020 bis zwei Jahre vor der Einschulung). Nebenan in Düsseldorf ist die Kita ab dem dritten Lebensjahr beitragsfrei und vorher günstiger als in Köln. Hab ich jetzt einfach Pech, weil ich mit meiner Familie lieber in Köln lebe oder ist das auch vom Gesetz her unfair?

Christoph Krosch: Hier hast Du vollkommen Recht: Es ist (zumindest bei dem Thema Betreuungskosten ;-)) Dein Pech, wenn Du in Köln lebst und die gesetzliche Regelung ist nach meiner Einschätzung auch unfair. Es ist jedoch so, dass jede Kommune die Betreuungskosten selber und individuell durch eine Satzung regeln darf. Die Kommunen sind in der Ausgestaltung relativ frei, müssen lediglich unterschiedliche finanzielle Hintergründe der Familien berücksichtigen.

Sowohl in Köln, als auch Bonn und Düsseldorf sieht es mit der Anzahl der Kitaplätze aber generell schlecht aus. Die Stadt Köln baut gerade so viele Kitas, wie sie schafft. Aber für 2020 ist die anvisierte Versorgungsquote mit U3-Plätzen dann gerade mal 50%. Die andere Hälfte der Eltern muss sich dann private Einrichtungen suchen, Großeltern einspannen oder schlicht den Wiedereinstieg in den Job nach Hinten verschieben. Da Hausfrau/Hausmann sein nicht bezahlt wird, bringt das berufstätige Mütter in finanzielle Nöte. Welche Chancen und Möglichkeiten habe ich, wenn ich keinen Betreuungsplatz bekommen habe, hinsichtlich eines Ausgleichs für mein Gehalt?

Christoph Krosch: Der BGH hat im Oktober 2016 entschieden, dass Eltern einen Anspruch auf Erstattung von Verdienstausfall haben, wenn trotz Anmeldung kein Betreuungsplatz zur Verfügung gestellt wurde und man aufgrund dessen seiner geplanten Berufstätigkeit nicht nachgehen konnte. Ich selber habe Eltern und insbesondere Mütter bei bereits dutzenden Gerichtsverfahren erfolgreich vertreten. Die Kommunen und insbesondere die Stadt Köln ignorieren außergerichtliche berechtigte Zahlungsaufforderungen. Durch eine Klage wird jedoch fast immer der gesamte Verdienstausfall erfolgreich erstattet. Eine Klage kann auch rückwirkend erhoben werden und ist zum Beispiel auch möglich, wenn für ein im November geborenes Kind ein Betreuungsplatz ab dem 1. Geburtstag beantragt wurde, jedoch erst ab dem folgenden Sommer zum neuen Kindergartenjahr zur Verfügung gestellt wurde.

Wir arbeiten nicht alle als Angestellte, einige von uns sind auch Freelancer. Andere Working Moms gehen während der Elternzeit auf die Suche nach einem neuen Job oder schmieden Pläne für die Selbstständigkeit. Und dann kommt die Aussage „Kein Arbeitsvertrag, kein Kita-Anspruch“. Ist das wirklich so? Brauche ich einen unbefristeten Arbeitsvertrag als Angestellte, um eine Betreuung für mein Kind zu kriegen?

Christoph Krosch: Ein Anspruch auf einen Betreuungsplatz hat jedes Kind, unabhängig davon ob die Eltern (angestellt oder selbständig) berufstätig sind oder nicht. Lediglich der Betreuungsumfang (tägliche Betreuungszeiten) orientieren sich an dem Bedarf, der regelmäßig anhand von Arbeitszeiten begründet wird. Aber auch hier kann man als Freiberuflerin oder Selbständige plausibel darlegen, dass bestimmte Betreuungszeiten erforderlich sind.

"Der BGH hat im Oktober 2016 entschieden, dass Eltern einen Anspruch auf Erstattung von Verdienstausfall haben, wenn trotz Anmeldung kein Betreuungsplatz zur Verfügung gestellt wurde und man aufgrund dessen seiner geplanten Berufstätigkeit nicht nachgehen konnte."

Gerade für alleinerziehende kann der aktuelle Betreuungsnotstand in Sachen Kitas zur Existenzfrage werden. Der Partner, der dann mal eben einspringt ist dann einfach nicht da. Gibt es für Alleinerziehende Sonderregeln was den Kita-Anspruch und Gehaltsausgleich angeht?

Christoph Krosch:  Es gibt keine Sonderregelungen. Natürlich ist bei Alleinerziehenden oft der finanzielle und zeitliche Druck höher. Verdienstausfall kann daher selbstverständlich auch die alleinerziehende Mutter rückwirkend einklagen. Es kann jedoch auch ein gerichtlicher Eilantrag auf kurzfristige Bereitstellung eines Betreuungsplatzes vor geplantem Wiedereinstieg in den Beruf gestellt werden. Dieses beschleunigte Gerichtsverfahren dauert wenige Wochen und in diesem wird die Stadt dazu verpflichtet einen Betreuungsplatz bereitzustellen. Das wird dann durch den Druck der gerichtlichen Verfahren in der Regel auch möglich gemacht.

Ich habe mal eine Absage von einer Tagesmutter erhalten, weil sie gerade keine Jungs mehr aufnehmen würde, sondern Mädchen für Ihre Gruppe bräuchte. Ist das schon Gender-Diskrimierung und muss ich damit leben oder ist das ein Punkt, wo ich mir rechtlichen Beistand holen sollte?

Christoph Krosch: Darüber kann man natürlich nachdenken… Die Tagespflegepersonen sind jedoch völlig frei in Ihrer Entscheidung, wem der Betreuungsplatz angeboten wird. Also muss ich hiermit leben.

"Ein Verdienstausfall kann rückwirkend bis zu 3 Jahre nach Entstehen des Schadens (Frist endet dann jeweils zum Jahresende) eingeklagt werden"

Recht haben heißt nicht gleich Recht kriegen. Der Schritt vor Gericht ist für uns ein Großer. Die Deutschen klagen zwar gerne, aber als Eltern hat man so schon viel um die Ohren und ist dankbar für jeden Stress, den man umgehen kann. Wann sollte man seinen Anspruch auf Kinderbetreuung oder einen Verdienstausgleich einklagen und wie läuft sowas ab?

Christoph Krosch: Hinsichtlich des Anspruchs auf Bereitstellung eines Kitaplatzes sollte man dann aktiv werden, wenn man einen sogenannten Teilablehnungsbescheid erhält. Hier muss zwingend innerhalb eines Monats Widerspruch erhoben werden. Wenn man schlichtweg keine konkrete Rückmeldung von der Stadt erhält, kann man ab 6 Wochen vor beantragtem Betreuungsbeginn eine Klage vor dem Verwaltungsgericht erheben. Man muss nicht auf einen Bescheid warten.

Ein Verdienstausfall kann rückwirkend bis zu 3 Jahre nach Entstehen des Schadens (Frist endet dann jeweils zum Jahresende) eingeklagt werden. Da es hier wirklich um große finanzielle Forderungen geht und man hierfür fast immer rechtsschutzversichert ist sollte man das Thema nach meiner Einschätzung auf jeden Fall angehen.

Kann ich mir einen Wunsch-Kitaplatz einklagen bzw. sich die Möglichkeit zu klagen nur auf die Städtischen Einrichtungen? Wie ist das mit kirchlichen Trägern, Elterninitiativen und privaten Kitas?

Christoph Krosch: Es ist Aufgabe der Kommune einen Betreuungsplatz zur Verfügung zu stellen. Klagegegner ist daher immer nur die Kommune, die jedoch manchmal in gerichtlichen Verfahren Plätze bei Kitas von freien Träger zuteilen können. Gegen kirchliche Träger, Elterninitiativen und private Kitas hat man keinen Anspruch. Man kann auch keinen Wunschkitaplatz einklagen. Es gibt jedoch Rechtsprechung, unter welchen Voraussetzungen ein Betreuungsplatz zumutbar ist. Das Verwaltungsgericht Köln ist zum Beispiel der Rechtsauffassung, dass eine einfache Wegstreckenentfernung von dem Wohnort zur Kita bis zu 5 km zumutbar ist. Die Zumutbarkeit der Betreuungszeiten ist immer im Einzelfall unter Berücksichtigung der persönlichen Situation der Familie zu bewerten.

Kann ich Kosten einer privaten Kindertageseinrichtung einklagen, wenn ich trotz Antrag keinen Betreuungsplatz von der Stadt angeboten bekommen habe?

Christoph Krosch: Ja, das ist grundsätzlich möglich und man kann die Mehrkosten auch rückwirkend geltend machen. Geltend gemacht werden können jedoch nur Mehrkosten. Das heißt, dass die hypothetisch in gleichem Zeitraum an die Stadt zu zahlenden Beiträge von den entstandenen Kosten abgezogen werden. Über einen langen Zeitraum kommt jedoch meistens eine recht hohe Forderung zusammen. Meine Erfahrung ist, dass die Kommune solche Ansprüche außergerichtlich mehr oder weniger ignoriert und eine Klage schneller und erfolgsversprechender ist.

Sollte ich bevor ich zum Anwalt gehe, um meinen Kitaplatz oder Gehaltsausgleich einzuklagen erstmal mit meiner Rechtschutzversicherung sprechen? Was sollte ich denen sagen?

Christoph Krosch: Grundsätzlich können wir auch als Kanzlei eine Kostendeckungsanfrage stellen und die Korrespondenz mit der Rechtsschutz übernehmen.

Die Klageverfahren auf Erstattung des Verdienstausfalls sind eigentlich immer versichert, da der Anspruch beim Landgericht eingeklagt wird und es sich um ein normales zivilrechtliches Verfahren handelt. Die Klageverfahren auf Bereitstellung des Kitaplatzes und Erstattung der entstandenen Mehrkosten einer privaten Kita werden vor dem Verwaltungsgericht geführt. Hier bedarf es dann eines Versicherungsschutzes für Verwaltungsrecht.

"Die Klageverfahren auf Erstattung des Verdienstausfalls sind eigentlich immer versichert, da der Anspruch beim Landgericht eingeklagt wird."

Wenn Du mehr Fragen kannst oder Dich weiter zum Thema Kita-Platz-Einklagen informieren möchtest, schau einfach mal auf den Seiten von Christoph Kroschs Kanzlei vorbei. Dort findest Du auch alle Kontaktdaten. 

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