Früher hieß es berufstätige Mutter. Heute sagen wir Working Mom. Dieses neue Label nur das Resultat einer Netflix-Serie oder Zeichen für eine neue Generation Moms? 

I thought the future would be cooler

2019, fast 2020. So langsam holen die Kalenderjahre die Zukunftsvisionen des letzten Jahrtausends ein. Hier bin ich: Frau. 35. Ehefrau. Mutter eines Zweijährigen. Gründerin. Autorin. Angestellte. Irgendwas-mit-Medien-Tussi. In der Literatur der 90er wäre mein Label „erwerbstätige Mutter“ oder „berufstätige Mutter“. Klingt so attraktiv wie die Plateu-Sneaker genannter Epoche. Moment. Die Schuhe sind zurück, aufgemotzt, aber genauso heavy. Ebenso verhält es sich auf mit der Benennung der zur Arbeit gehenden Mama. Wir sind jetzt Working Moms. Aber ist das schon die Zukunft oder geht’s noch cooler?

Was ist eine Working Mom überhaupt?

Nix Neues, würde meine eigene Mutter sagen und meine Omma und deren Ahninnen wohl auch. Wäre Paul Watzlawick eine Mutter könnte ich ihn jetzt zitieren mit: „Man kann mit Kinder nicht nicht arbeiten, nie, nicht mal nachts.“ So muss ich das mit dem Zitat selber machen. Und alles andere auch, wie eben jede Working Mom jemals. Moms haben immer gearbeitet, ob es Haushalttätigkeiten waren, die Tasks als Erzieherin und Lehrerin für den jungen Teil der Family, die Pflege der alternden Familienmitglieder, Haus und Hof oder der Support im Familienunternehmen. Every Mom is a Working Mom, immerschon gewesen.

Warum sprechen wir dann jetzt auf einmal so viel über Working Moms?

Zum einen, weil es gerade eine coole Netflix-Serie mit diesem Titel gibt. Zum anderen, weil uns beim klangvollen Begriff „erwerbstätige Mutter“ schon nur ein Naserümpfen über’s Gesicht huschte, uns aber keine Bilder durch den Kopf blitzen. Wörter funktionieren erst dann, wenn sie Assoziationen auslösen. Man denke an den Begriff „Strandtag“ und es erscheinen Sonne, Sand und Meer vor dem inneren Auge. Hach. Schön hier. Nochmal durchatmen und das Rauschen der Wellen genießen und dann zurück zum Thema. Zeit für dasselbe Spiel mit „Erwerbstätige Mutter“. Standbild. Sendepause. Oder woran denkst Du? Und der Begriff Working Mom? Yes, Netflix! Schön, aber das ist alles? Was ist denn mit mir. Remember. Ich. Frau. 35. Ehefrau. Mutter eines Zweijährigen. Gründerin. Autorin. Angestellte. Irgendwas-mit-Medien-Tussi. Und was ist mit Dir? Und mit all den Moms, die Du kennst? Was ist mit Deiner eigenen Mutter? 

Sollten wir es Netflix überlassen, uns Working Mom Beispiele zu geben, mit denen wir uns identifizieren können?

Nein. Denn zusätzlich zum Fakt, dass sich die Geschichte wiederholt, wie uns die Plateu-Sneaker gerade vor Augen führen, vergisst sie auch sehr gerne Frauen. Für fünf Stories über tolle Typen, gibt’s eine über eine Frau. Damit reicht’s dann aber auch und die Redaktion muss sich entscheiden, ob sie die Frau mit Kind oder die ohne nimmt oder die Alleinerziehende oder doch die Lesbische oder die Zugewanderte. Es darf immer nur eine Dame die mens‘ world betreten. Für den Hinweis auf diesen Fakt, bekommen Feministinnen immer ein Gratis-Augenrollen, viel mehr, passiert aber nicht. Das es einfach immer noch echt wenige echte Working Mom Geschichten gibt, merkt man auch daran, dass der moderne Papa selbst ohne Netflix-Bühne gerade omnipräsent ist: Er. Mitte Dreißig. Babytrage umgeschnallt. Lässige Klamotten. Optionaler Bart. Akademiker. Founder. Ingenieur. Lehrer. Anwalt. Vielleicht auch Irgendwas-mit-Medien. In den Mainstream aka Männer-Medien findet sich eben auch immer wieder dieses Bild und der Begriff „Teilzeit-Dad“, der so langsam dem noch cooleren „Insta-Dad“ weicht. Es ist großartig, dass Väter heute soooo viel cooler sind als früher. (Wobei hier nun mein Vater wiedersprechen würde, von dem es mit durchaus auch instagrammable Fotos in unseren Familienfotoalben gibt.) Aber uncool ist daran, dass Männer, die lieber nur vier Tage pro Woche arbeiten wollen oder für die sich vierzig Stunden ohne Überstunden, schon wie Teilzeit anfühlt, eine Story wert sind. „Mütter machen in Teilzeit richtig guten Job“, ist keine Schlagzeile. „Vater wollen Arbeitszeitreduzieren“, aber schon. Man müsste meinen, bei täglichen Nachrichten, wären genug Sendeplätze für alle da.

Vielleicht gibt’s einfach nicht genug Mütter mit guten Stories?

Zwei Milliarden Mütter gibt es auf der Welt. Jeder hat eine. Jeder kennt mindestens eine weitere. Was sind deren Geschichten? Wie arbeiten die? Wie machen die das mit der Vereinbarkeit von Job und Familie? Wie arbeiten die mit Männern zusammen, zu Hause zum Thema Kind und im Job, als Chefin, als Angestellte, als Anwältinnen, als Irgendwas-mit-Medien? Wenn es schon nicht in Zeitungsartikeln steht, dann muss man manchmal einfach persönlich nachfragen. Aber das weitererzählen nicht vergessen! Denn im Internet und unseren Köpfen werden noch Millionen individueller Stories gebraucht, bis wir verstehen können, was eine Working Mom alles ist. Und dann kommt die Zukunft wirklich endlich und wir sehen beim Begriff Working Mom jemanden vor uns, den wir so noch cooler finden, als einen Strandtag.  

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