Arme, arme Mütter – Zur neuen Bertelsmann-Studie

Die Millionenfrage: Welchem Geschlecht ordnest Du die folgenden Aussagen zu:

„Kinder zu haben ist ein Job, den man nicht mit Geld aufrechnen kann.“

 „Für kein Geld der Welt, könnte ich zulassen, meine Kinder zu vernachlässigen.“

„Die ersten Schritte, die ersten Worte meines Kind mitzuerleben, ist mir mehr Wert.“

Yes, Mamas und Money, das geht kulturell kognitiv so gut zusammen wie Stillen und Saufen. Das kannst Du doch nicht machen! Ein Schlückchen Arbeiten ab und zu ist ja okay, aber doch bitte nicht so exzessiv! Das schadet Deinen Kindern! Die neue Bertelsmann-Studie zum Gender Lifetime Earnings Gap, hat herausgefunden, dass diese Verständnis von Mutterschaft den Mamas schadet und zwar so richtig.

Fast eine Million Euro weniger Lebenseinkommen für Mütter

Aufbauend auf eine vorangegangene Studie zum Lebenseinkommen von Männern und Frauen gingen die Forscherinnen der Bertelsmann-Stiftung diesmal der Frage nach: Wie viel weniger verdienen nicht nur Frauen, sondern Mütter im Vergleich zu Männern im Verlauf ihres Lebens. Das Ergebnis: Die aktuelle Generation Männer werden durchschnittlich 1,5 Millionen Euro im Verlauf ihres Lebens verdienen. Frauen ohne Kinder, aus dem gleichen Geburtsjahr, werden es in ihrem auf immerhin 1,3 Millionen Euro schaffen. Doch wenn Kinder zur Rechnung hinzukommen, fanden die Forscherinnen etwas seltsames heraus: Das Einkommen der Väter steigt sogar. Das der Mutter sinkt mit dem ersten Kind auf um 43 Prozent, mit dem zweiten um 54 und mit dem dritten um 68 Prozent. Wer vier Kinder hat oder plant, rechnet lieber gar nicht erst weiter. In Zahlen sind die 68 Prozent nämlich am oben angelegten Rechenmodell rund 920.000 Euro weniger als Männer.

Die Lösungen gegen den von den Forscherinnen genannte Motherhood Lifetime Penalty – Lebenslange Strafe für’s Mutterschein – finden sich bei einem Blick auf die Ursachen.

Thema Einkommen – Es geht nicht nur darum, wer mehr „verdient“

Jetzt mit den Ergebnissen der neuen Bertelsmann-Studie zum Chef zu rennen und einen Geschlechtsausgleich zu verlangen, kannst Du probieren. Besonders bei modernen Unternehmen, sind die Löhne inzwischen transparent und angepasst. Tarifverträge regeln die Gehaltsgerechtigkeit in traditionelleren Umfeldern. Eine Gehaltsdiskrepanz ergibt sich vor allem daraus, dass mehr Männer weiter oben auf der Karriereleiter stehen, die richtig gut verdienenden direkt über der gläsernen Decke. Aber that’s not all. Einkommen ist nämlich die Gesamtheit des Geldes, dass Dir zur Verfügung steht. Das kann und muss nicht nur Dein Lohn sein. Birgitta Werde erklärt im ihrem Aufsatz „Frauen und Geld – ein besonderes Verhältnis?“, dass fast alle großen Wirtschaftsunternehmen in männlicher Hand sind. Unternehmer richten sich nicht nach einem Gehalt, dass sie sich zahlen, sondern dem Gewinn den ihr Unternehmen macht. Dazu kommt, dass Männer bessere Erbaussichten haben als Frauen, sagt Werde. Sie erben öfter und meist mehr als Frauen. Leider finden sich keine aktuellen Zahlen dazu, wie es um die Geschlechterverteilung in Hinblick auf den Besitz von Immobilien und Aktien steht. Doch Du nun überlegst, wie Du als Mama doch zu mehr Geld kommst, ist es wichtig, darüber nachzudenken, wie Du Dein Lebenseinkommen effektiv steigern kannst.

Über Geld reden - ein Männerthema

Das „über Geld reden“ machen Männer nämlich tatsächlich häufiger. Der Bankenverband befragte Frauen und Männer zu ihrem Wirtschaftsinteresse und Finanzwissen und fand heraus: „Frauen interessieren sich im Allgemeinen weniger als Männer für Wirtschafts- und Finanzthemen. Bei exemplarischen Fragen zum Finanzwissen schneiden Frauen erkennbar schlechter ab. Frauen empfinden Geldanlagen und Bankgeschäfte häufiger als kompliziert (69%) als Männer (60%).“

Interessant und erschreckend an dieser Befragung ist auch, dass sich eigentlich beide Geschlechter nicht wirklich ausreichend mit ihrer Altersvorsorge und Anlagestrategie auskannten. Aber selbst im persönlichen Mikrokosmos herrscht oft eine verbale Geschlechterteilung vor. Die Mamas reden über die Kinder und vielleicht noch darüber, wie günstig sie den Buggy geschossen haben, während die Väter über Zinssätze und ihre Langzeitaktien-Strategien schnacken. Warum das so ist? Zum Beispiel deswegen, weil Frauen erst seit 1962 in Deutschland ein eigenes Bankkonto eröffnen dürfen. Wir Frauen haben da ein paar Jahre aufzuholen, ein paar hundert Jahre.

Was brauchen Mamas, um mehr Geld zu haben?

Wer gerade mal genug Geld zum Leben hat, hat natürlich keins über um es zu investieren. Es muss darum aktiv etwas dazu getan werden, um gerade Mütter mehr Geld zur Verfügung zu stellen. Ein beliebtes Argument ist darum, dass mehr Mütter in Vollzeit arbeiten sollten. Das entspricht der Logik von Time is Money. Doch auch die Vollzeit-Assistentin kriegt nicht so viel, wie der Vollzeit-Vorstandsvorsitzende. Es würde also noch viel mehr bringen, mehr Mütter in höheren, gut bezahlten Jobs zu haben. Und damit das möglich ist, muss der Slogan Zeit gleich Geld weg. Mehr Stunden mehr Lohn ist nämlich ziemlich schnell ausgeschöpft. Um das Lebenseinkommen von Müttern zu verbessern, braucht es stattdessen Arbeitsmodelle, die Produktivität und Effizient entlohnen, höhere Gehälter für systemrelevante „Frauenberufen“ und vor allem Kinderbetreuungs-Modelle, die sich der Flexibilität von Arbeit anpassen.

Beide Eltern können nicht in Vollzeit arbeiten

Denn der größte Unterschied zwischen Müttern und Vätern ist leider zu oft der, dass nur einer von beiden die Wahl hat, ob er Vollzeit arbeitet. Wenn Kitas um drei haben und Schulen 67 Werktage im Jahr geschlossen sind (not zu Corona, sondern einfach regulär als Ferien), braucht es jemanden in der Einheit Familie, der oder die, die Care-Arbeit auffängt. Das kann der Mann sein, aber weil der ja statistisch die besseren Einkommenschancen hat, lassen viele Frauen ihrem Partner den Vortritt, was die Karriere angeht und haben dabei das Gefühl das richtige, für die Familie zu tun. Steuerliche Sonderregelungen für Familien, wie das Ehegattensplitting befeuern diese Entscheidung. Selbst wenn nun beide Partner zum Wohle der Care-Aufteilung in Teilzeit arbeiten, sinkt damit das gemeinsame Familieneinkommen. Der Gender Lifetime Earning Gap, wird zwar geringer, wenn auch Männer weniger verdienen, der Lebensstandard sinkt aber mit. Das attraktivste Lebensmodell ist dann die Kinderlosigkeit. DINKS, double income no kids, wären auch in der Bertelsmann-Studie die wirtschaftlichen Gewinner.

Nicht noch mehr von den Mütter fordern, sondern vom System

Von Print bis Online, Schrift oder Ton bis Video, in fast jedem Lokalblatt heißt es in Zusammenhang mit den aktuellen Zahlen der Bertelsmann-Stiftung: „Die Entscheidung für ein Kind führt bei Frauen demnach durchschnittlich zu Einbußen von […].“

Doch es geht hier nicht um „Entscheidungen.“ Es fragt ja auch keiner, ob sich Männer oder Frauen entscheiden zu Arbeiten. Frauen entscheiden sich nicht für Kinder, wie für ein paar Schuhe oder eine Tasche. Mit dem Streit um Paragraph 218 war die Entscheidung gegen eine ungewollte Schwangerschaft bis in die neunziger Jahre sogar strafbar. Kinder zu bekommen, ist mehr als eine persönliche Entscheidung. Es ist ein gesellschaftliche Obligation, die sozial mehr an Frauen getackert wird, als an Männer. Mütter stellen im wahrsten Sinne, ganz physisch die Work-Force, die Steuerzahler, die Unternehmerinnen der Zukunft her. GoFeminin hat ausgerechnet, dass ein Kind die Familie von der Geburt bis zum 18. Lebensjahr 180.000 Euro kostet. Wenn wir daraus und aus der Bertelsmann-Studie das Fazit zögen: „Kinder sind eine dumme Entscheidung, lassen wir mal lieber sein“, hätte diese Gesellschaft und Wirtschaft bald ein Problem mit seinem Humankapital.

Die Bertelsmann-Studie sollte darum vor allem zum Anlass genommen werden, darüber nachzudenken, wie Einkommenschancen für Mütter verbessert werden können, durch eine Anpassung der Einkommensstrukturen an die Bedürfnisse von berufstätigen Müttern und nicht andersherum. Dazu müssen wir weg von einem Mindset, dass Karriere und Mutterschaft als konträr versteht, Karriere und Vaterschaft aber als Norm. Wenn die  letzten Monate mit der Corona-Pandemie eines bewiesen haben, dann dass Veränderungen auch in Wirtschaft und Politik sehr schnell passieren können, wenn sie passieren müssen. Darum her mit den Veränderungen für Mütter jetzt sofort, bitte! 

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