„Mama, wo warst Du da eigentlich?“, fragt mich mein Kind während wir durch alte Fotos blättern. Im Jahr nach seiner Geburt, war ich fast 24 Stunden, sieben Tage die Woche, an der Seite meines Sohnes. Und doch auf fast keinem der Bilder, mit denen ich jede wichtige Erinnerung festhalten wollte. Würde mir etwas zustoßen, könnte sich mein Kind später vielleicht gar nicht an mich erinnern, fürchte ich. Die Kölner Fotografin Juliane Schmengler hat es sich zur Aufgabe gemacht, dass zu verhindern. Mama zurück ins Familienalbum, aber nicht neben Bastkörbchen unter rosa Plüschwolken, sondern ganz realistisch und echt. In ihren Bildern zeigt sie die wahre Seite des Mamalebens, echte Mütter im Alltag mit Babies zu Hause und unterwegs, Momente, die so wichtig sind, aber selten festgehalten werden. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit ist dabei die Stillfotografie. Wir haben mit ihr über ihre Arbeit gesprochen.

Juliane Schmengler von Knipskind fängt intime Momente aus dem echten Familienalltag ein.
Erinnerungen daran, wie es wirklich war. Das ist Juliane Schmenglers Ziel als Familienfotografin.

Du hast es Dir zur Mission gemacht Mamas ins Familienalbum zu bringen. Was meinst Du sind die Gründe, warum wir Moms fotografisch in den wichtigen Momenten fehlen?

Vermutlich sind wir in den wichtigen Moment in aller erster Linie nicht mit auf dem Foto und damit letztendlich nicht im Familienalbum, weil wir schlichtweg hinter der Kamera bzw. dem Handy stehen und den flüchtigen, aber einzigartigen Moment selber festhalten. Ich habe manchmal das Gefühl, dass wir Mütter nicht nur multitasking handeln, sondern auch denken. Ein Beispiel: Wenn unser Kind das erste Mal alleine ohne Hilfe aufs Fahrrad steigt und los fährt, dann ist das ein großartiger Moment.

Wahrscheinlich hat die Mutter im Voraus das Fahrrad gekauft, abgewogen und studiert, welches das beste erste Fahrrad für Ihr Kind sei, Preise verglichen und es dann von Oma und Opa zum Geburtstag schenken lassen.

Sie hat dann vermutlich schon viele Stunden mit dem Kind geübt, nicht aufgegeben und immer weiter animiert.

Väter hingegen sind häufiger mit dem einen Moment beschäftigt: Nämlich das Fahrrad im richtigen Moment los zu lassen und das Kind anzufeuern.

Wir Mütter tun das sicherlich auch, aber gleichzeitig scannen wir noch die Straße nach möglichen Gefahrenstellen, haben auf dem einen Arm noch das Geschwisterkind, welchem wir einen Snack in die Hand drücken, damit es beschäftigt ist, während wir gleichzeitig noch genau diesen so unfassbar wichtigen Moment für die Ewigkeit mit der Kamera oder dem Handy festhalten.

Wir sind nicht nur im Moment, sondern denken schon daran, wie sehr unser Sohn oder unsere Tochter sich später einmal freuen wird, dass es genau von dem Ereignis des ersten Mal Radfahrens ein Foto oder Video gibt.
Und Oma und Opa freuen sich auch über Bildmaterial aus dem Familienalltag der Enkel.

Wir denken einfach an so vieles und an so viele Andere.
Aber häufig vernachlässigen wir dann uns und unsere eigenen Bedürfnisse.

Am Ende sind (fast) alle glücklich. Das Kind fährt alleine Fahrrad, der Papa ist stolz, der Moment wurde fotografisch für die Zukunft festgehalten, nur die Mutter, die eigentlich eine der wichtigsten Hauptrollen gespielt hat, ist einfach nicht sichtbar, auf keinem einzigen Foto.

Und warum? Weil Sie einfach die Fäden im Hintergrund zieht und alles drumherum organisiert.

Ein weiter Grund ist vielleicht auch, dass wir zu perfektionistisch und selbstkritisch sind.
Wenn dann mal Jemand ein Foto von uns macht, dann ist es leider meistens gestellt und unnatürlich, weil wir darum bitten mussten.

Oder es genügt nicht unseren zu hohen Ansprüchen und schafft es daher nicht ins Familienalbum.

Was sind Bereiche/Themen des Mamalebens, die aus Deiner Sicht bisher fotografisch unterrepräsentiert sind?

Da sehe ich ganz klar die Alltagsmomente, Routinen, gemeinsame Rituale und alltägliche Dinge. Die kleinen Alltagsabenteuer, die an jede Ecke auf uns warten.
Ich finde es wunderbar, wenn man später einmal zurück schauen kann und sich erinnert, wie man zusammen gegessen, gekocht, gelesen, gebastelt, gespielt, gemalt, gelacht, geweint oder getanzt hat. Wie man seine Kinder an und auszieht. Das macht man Jahrelang mehrmals am Tag, aber gibt es davon Bilder?

Fotos von Müttern, die Ihre Kinder trösten. Denn wir alle wissen, dass Mama sein nicht nur das Insta-Leben ist, wo alle immer lächeln und gut aussehen. Ich mag es dokumentarisch Familien in Ihrem Alltag zu begleiten.
Festzuhalten ,wie die Mama ihrer Tochter jeden Morgen die Haare kämmt und einen Zopf flechtet, wie gemeinsam das Frühstück vorbereitet wird oder wie das Lieblinsgbuch zum 235. Mal den  eigenen Kids vorgelesen wird. Wünscht sich nicht fast jede Mom ein Foto, wie sie auf dem Sofa sitzt und Ihre Kinder lauschen andächtig, wie Sie Ihnen vorliest, während die Kinder sich an sie kuscheln? Ich mag solche intimen, echte Momente mit wahren Gefühlen. Liebevoll. Natürlich und Lebendig.

Stillfotografie ist ein Schwerpunkt von Juliane Schmengler

Wie gehst Du gerade bei der Stillfotografie vor? Wie schwierig ist es, diese Bilder zu machen?

Die Stillfotografie ist meine große Leidenschaft. Aus der persönlichen Motivation heraus, dass Stillen zwar das natürlichste auf der Welt ist, aber eben nicht selbstverständlich und jede Mom ihre eigen Stillgeschichte zu erzählen hat, ist diese Idee heraus entstanden. Stillfotografie ist eine Nische, aber ich finde sie wunderbar und bin immer sehr dankbar, wenn meine Kunden mir das Vertrauen schenken, diesen intimen Moment festzuhalten. Häufig kommen Mütter erst kurz vor dem Abstillen oder im schlimmsten Fall danach auf die Idee und merken, dass sie ihr Kind zwar 6 oder 12 Monate oder länger gestillt haben und sehr viele Stunden des 1. Jahres mit Kind so verbracht haben, aber es kein einziges ästhetische Foto davon gibt. Da werde ich dann häufig nochmal vor dem Abstillen gebucht und die Babys sind schon größer und aufmerksamer und lassen sich auch gerne mal ablenken. Bisher hat es aber immer sehr gut funktioniert. Ich nehme mir immer ausreichend Zeit und die Babys sagen auch selten Nein, wenn Ihnen die Brust angeboten wird.

Zudem kann ich lautlos fotografieren und so werden die Babys nicht durch ein Klicken abgelenkt. Ich verhalte mich dezent im Hintergrund und bin einfach einfühlsam und routiniert. Und häufig ist es auch kein reines Stillshooting, sondern die Bilder entstehen eben während eines Baby- oder Familienshootings und sind daher ganz selbstverständlich. Da ich gerne ungestellt fotografiere, dokumentiere ich dann eben diese Stillpause einfach gleich mit.

Foto: Juliane Schmengler/Knipskinnd
Foto: Juliane Schmengler/Knipskind

Welche Botschaften möchtest Du den Moms mit Deinen Fotos senden?

Meine Vision ist es, dass möglichst alle Mütter mit schönen Fotos mit ins Familienalbum kommen. Ihr seid es wert! Alle Mütter da draußen: Ihr rockt Euren Alltag, Ihr seid stark, Ihr haltet die Fäden zusammen, Ihr schafft den Spagat zwischen Beruf und Familienalltag. Bitte denkt auch mal an Euch. Gönnt Euch etwas oder lasst Euch von Euren Männern doch einfach mal ein Shooting schenken. Nehmt Euch dafür Familienzeit und ich halte Eure Geschichte mit meiner Kamera fest. Ihr habt es so verdient sichtbarer Teil Eurer Geschichte zu sein, fürs Hier und Heute aber vor allem für die Zukunft!

Welches Deiner Bilder ist Dein eigenes Lieblingsbild und warum?

Puh, schwere Frage. Mein Beruf als Familienfotografin ist zwar spezialisiert, aber trotzdem gefühlt breit gefächert.  Vom Babybauchshooting, über Neugeborenenfotos hin zur Babyfotografie und den Familienreportagen mit Kleinkindern oder  Shootings mit ganzen Großfamilien. Daher kann ich weder sagen, was mein Lieblingsbild ist, noch was ich am liebsten fotografiere. Für mich macht genau diese Abwechslung meinen Beruf aus. Wenn ich mich auf 2 Fotos festlegen müsste, dann ist eines davon aktuell definitiv ein Stillfoto aus der „stillen Beobachter-Perspektive“ durch eine halb geöffnete Tür. Es zeigt für mich so viel Intimität, Vertrautheit, Ruhe, Liebe, Verbundenheit und Echtheit. Und das Zweite ist ein aktives, sehr lebendiges, lebensfrohes, verspieltes, tobendes Bild von einem Vater, der seine Tochter durch die Luft ins Bett schmeißt, weil Sie das so gerne spielen.

Wenn man sich das Bild anschaut, muss man einfach lächeln, weil man spüren kann wieviel Freude alle Beteiligten hatten, während das Bild entstanden ist. Denn eines ist mir immer wichtig, dass sich alle beim Shooting wohl fühlen und so natürlich wie möglich agieren und einfach  eine gute Zeit zusammen geniessen. Denn genau das sieht man dann später auch in meinen Bildern. Die Familien haben so die Möglichkeit sich später die Bilder anzuschauen und sich in die Zeit zurück zu versetzen, wo sie entstanden sind.

Juliane Schmengler ist selbts Mama von zwei Kindern. Sie lebt und arbeitet in Köln. Mehr zu ihrer Arbeit und alle Kontaktdaten findet ihr unter Knipskind.de.

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