Ob alleinerziehende Mutter oder Großfamilie. Voll- oder Teilzeit. Beruf und Familie muss möglich sein. Deshalb gründete Sandra Westermann im Sommer diesen Jahres die Jobbörse Superheldin.io. Mit ihr matched sie berufserfahrene und motivierte Mütter mit familienfreundlichen Unternehmen.
Liebe Sandra, Du hast mit Superheldin.io eine Stellenbörse für Mütter gegründet. Wie bist du darauf gekommen?
Als ich Mutter wurde, habe ich lange nach einem familienfreundlichen Job gesucht. Ich wollte in meiner damaligen Position als Produktionsleiterin beim Bewegtbild in flexibler Vollzeit arbeiten, um nachmittags mein Kind aus der KITA zu holen. Nach einigen Stolpersteinen habe ich dann einen Arbeitgeber gefunden, der meine Werte geteilt hat und dem vor allem wichtig war, dass die Aufgaben erledigt werden. Wie, wo, wann, war ihm egal. Das klappte wunderbar. Auch die Zusammenarbeit im Team funktionierte, obwohl ich viel von Zuhause erledigte. Das hat mir gezeigt, dass es durchaus familienorientierte Unternehmen gibt und flexibles, ortsunabhängiges Arbeiten möglich ist. Fotos_
Ich musste mir damals die Finger wund googeln, um familienfreundliche Stellenanzeigen zu finden. Deshalb kam ich irgendwann auf die Idee, eine Jobbörse mit familienbewussten Stellenanzeigen zu gründen, auf der sich Eltern sofort willkommen fühlen. Weil klar ist, dass sie Kinder haben und nach einem Job suchen, der sich mit dem Familienleben vereinbaren lässt.

Der Bedarf bei uns Müttern ist auf jeden Fall da, dass wissen wir alle. Wie findest du die passenden Unternehmen, die auf deiner Plattform inserieren?
Anfangs dachten wir noch, dass wir Unternehmen von Müttern als qualifizierte und motivierte Arbeitskräfte überzeugen müssten. Dass wir da offene Türen einrennen, war uns erstmal nicht klar. Viele Unternehmen sind bereits familienfreundlich oder möchten es sein. Sie kommunizieren es nur noch nicht so stark und hatten bisher keinen Ort, an dem sie sich präsentierten konnten.
Der Wert hochmotivierter Eltern – Mütter wie Väter – ist ihnen aber durchaus bewusst. Die meisten Firmen schätzen Eigenschaften wie Effizienz, Geduld, Organisationstalent und eigenverantwortliches Arbeiten. Also alles Fähigkeiten, die durch die Elternschaft gefördert werden. Außerdem bleiben qualifizierte Mitarbeiter ja qualifiziert, auch wenn sie irgendwann Kinder bekommen. Nur die Bedürfnisse ändern sich ein wenig. Weg vom 9 to 5 Job hin zu Flexibilität und individuellen Arbeitszeitmodellen. Das haben mittlerweile auch die Unternehmen erkannt.

Was für Jobs werden auf deiner Seite angeboten?
In erster Linie sind uns die Werte der Unternehmen wichtig. Wird eine familienfreundliche Unternehmenskultur auch wirklich gelebt? Werden Mitarbeiter mit Kindern geschätzt? Dass sich Unternehmen auf Superheldin.io registrieren und proaktiv Stellen inserieren, gibt uns darauf eine klare Antwort: Ja! Denn die Firmen wissen ja, dass sich hier Mütter und Väter auf ihre Jobs bewerben und dass Vereinbarkeit nur klappt, wenn beide Seiten Geben und Nehmen.
Auf Superheldin gibt es alle erdenklichen Arbeitsmodelle. Familienfreundliches Arbeiten bedeutet, je nach persönlicher Situation, ja für jeden etwas anderes. Man kann nicht sagen, dieses oder jenes Arbeitsmodell funktioniert für jede Mutter oder jeden Vater.
Deshalb gibt es bei uns Stellen in Teilzeit, flexibler Vollzeit und Jobsharing- sowie Tandem-Modelle. Genauso ist uns aber auch wichtig, dass nicht nur die Werte und das Arbeitsmodell familienfreundlich sind, sondern potentielle, neue Mitarbeiter auch anderweitig unterstützt werden. Beispielsweise mit familienfreundlichen Benefits, Firmen-KITAs, Eltern-Kind-Büros oder einer betrieblich organisierten Ferienbetreuung.
Im Mai diesen Jahres ging die Superheldin.io live. Habt ihr schon erfolgreich vermitteln können? Wie ist das erste Feedback?
Wir bekommen sehr viel positives Feedback. Sowohl von Unternehmen als auch von vermittelten Müttern, die sich bei uns vor allem über die Sozialen Medien wie Facebook und Instagram, aber auch per Mail, für die Vermittlung bedanken. Zwar ist uns bewusst, dass wir unser Stellennetz noch weiter ausbauen müssen, um bald alle Branchen und Regionen abzudecken, aber da sind wir sehr zuversichtlich.
Man könnte sagen du machst Werbung für die Personalressource „berufstätige Mutter“. Was macht uns als working Mom zur wertvollen Arbeitskraft für Unternehmen?
Das könnte man meinen. Aber erfolgsorientierte Unternehmen haben den Wert von Working Moms und Dads schon längst erkannt. Für sie ist eine offene, tolerante Unternehmenskultur in Zeiten des Fachkräftemangels ein klarer Wettbewerbsvorteil geworden. Wenn wir mit Geschäftsführern und Personalverantwortlichen sprechen, tauchen immer wieder Schlagwörter wie „effizient, organisiert und motiviert“ auf.
Stellen sind mittlerweile über 100 Tage unbesetzt, die Fluktuation ist hoch, es fehlt an qualifizierten Mitarbeitern. Den vermeintlich „perfekten“ Arbeitnehmer gibt es eben nicht mehr massenhaft. Denn auch bei kinderlosen Bewerbern hat sich das Mindset in den letzten Jahren komplett verändert. Sie möchten sich mittlerweile genauso nebenbei selbst verwirklichen, an bestimmten Tagen tagsüber ihren Hobbys nachgehen, ein Sabbatical einlegen oder Angehörige pflegen – alles neben dem Job. Insofern nützt eine familienfreundliche Unternehmenskultur auch kinderlosen Mitarbeitern eine bessere Work-Life-Balance zu gestalten.
Bei der Jobsuche werden wir Mütter immer mit den gleichen Vorurteilen konfrontiert. Z.B. nicht flexibel zu sein oder mehr Fehlzeiten wegen Krankheit zu haben. Wie reagiert Frau hier am besten drauf?
Schwer zu sagen. Wenn man permanent mit solchen Vorurteilen konfrontiert wird, passen die Werte des Unternehmens vielleicht einfach nicht zu einem selbst als Mutter. Wo ein Wille ist, ist auch immer ein Weg. Das gilt auch für den Arbeitgeber. Es gibt diverse Möglichkeiten eine Mutter oder einen Vater, der um 16 Uhr das Kind aus der KITA holen muss, so zu unterstützen, dass fehlende Flexibilität kein Problem darstellt. Beispielsweise indem man eine Vollzeitstelle im Tandem besetzt. Oder indem man dem Mitarbeiter einen Werkstudenten oder Auszubildenden zur Seite stellt, der bei spontanen Ausfällen einspringen kann. Möglicherweise ist auch die permanente Anwesenheit überhaupt nicht von Nöten. Hier kann der Ausbau der Digitalisierung Abhilfe schaffen und natürlich gehört auch eine große Portion Vertrauen dazu. Übrigens stimmt es gar nicht, dass Mütter häufiger fehlen, als kinderlose Mitarbeiter. Das kann sich zwar zur Erkältungsperiode oder beim KITA-Start mal häufen, im Durchschnitt haben Eltern aber nicht mehr Fehltage als ihre kinderlosen Kollegen.

Welche Tipps würdest du Müttern für den Wiedereinstieg nach der Elternzeit geben/ oder allgemeiner für die Jobsuche geben?
Nicht den Kopf in den Sand stecken! Es gibt viele familienfreundliche Unternehmen, die nur darauf warten, eine Mutter oder einen Vater dabei zu unterstützen, die Vereinbarkeit möglich zu machen. Manchmal klappt es nicht beim ersten Mal, aber auch hier sollte man sich nicht entmutigen lassen. Ob eine Zusammenarbeit klappt, hängt ja von so vielen Faktoren ab. Manchmal passt es eben nicht. Dann empfehle ich weiterzusuchen bis man einen Arbeitgeber gefunden hat, der die eigenen familienfreundlichen Werte mitträgt. Wichtig finde ich auch, gerade als Mutter, nicht zu tief zu stapeln und kreativ zu werden. Sich zu überlegen wie man arbeiten möchte und was man in der Zukunft noch anstrebt. Muss es wirklich der Teilzeitjob sein, für den man eigentlich überqualifiziert ist? Oder könnte man einem Unternehmen seiner Wahl vorschlagen, ein Jobcharingmodell oder eine flexible Vollzeit auszuprobieren. Auch ein duales Studium in Teilzeit ist mittlerweile möglich. Für Väter gilt dasselbe. Auch sie haben ein Recht darauf, ihre Kinder mit zu betreuen und trotzdem Karriere zu machen. Mit dem richtigen Arbeitgeber an seiner Seite ist das alles umsetzbar. Aber man muss seine Bedürfnisse als Mutter oder Vater auch offen kommunizieren und darf nicht darauf warten, dass einem die Vereinbarkeit auf dem Silbertablett serviert wird.
Vielen Dank für das spannende Gespräch! Mehr zu Jobs für Working Moms findet ihr auf Sandras Seite:
superheldin.io
