Mitte dreißig, exzellent ausgebildet, hochqualifiziert, Mama und wieder auf Jobsuche. Noch bevor Du Mama wurdest, dachtest Du Dir: Jetzt bin ich angekommen im Berufsleben. Doch mit der Elternzeit und dem Wiedereinstieg hat sich Dein Privatleben stark verändert. Möglicherweise bist Du für die Familie umgezogen oder der alte Job erweist sich als zu wenig familienfreundlich. Jobsuche und Bewerbungsgespräche sind für Mütter in und nach der Elternzeit ein großes Thema. Häufig fühlt sich der Wiedereinstieg wie ein Neuanfang an. Doch heißt das auch, dass man als Mutter beruflich wieder unten anfängt? Wir haben mit Teamhead und Recruiterin Atena Rabou-Degenkolbe über Bewerbungsprozesse und berufstätige Mamas gesprochen.

Liebe Atena, let’s talk about Bewerbungen von berufstätigen Müttern. Wo sollen wir anfangen?

Bevor wir zu den Fragen und den Challenges einer Bewerbung kommen, ist es meiner Meinung nach wichtig, zwei wesentliche Punkte voranzustellen. Sind diese Punkte einmal geklärt, lassen sich viele Fragen und Unsicherheiten auf dem beruflichen Weg leichter lösen.

  1. Es ist wirklich wichtig, sich selbst die (neue) Lebenssituation einmal bewusst zu machen und in sich zu gehen, bevor neue berufliche Wege eingeschlagen werden. Schreibt die Punkte auf, um sich so die Anforderungen und Prioritäten zu visualisieren. Das hilft zur Verinnerlichung. Sind die Themen, die man vorher im Job hatte, jetzt mit Kind, genauso wichtig und wie stellt man sich das Arbeiten mit Kind vor? Möchte man (wieder) in eine Führungsposition? Wäre man bereit, (weiterhin) Dienstreisen anzutreten? Wann möchte man zuhause beim Kind sein? Wie regelt der Partner seinen Joballtag? Sind diese Fragen einmal geklärt, kann man viel einfacher und selbstbewusster seine Sicht der Dinge (eventuell auch anderen gegenüber) deutlich machen.
  2. Sei und bleib bei deinem anstehenden Weg Dir selbst gegenüber optimistisch und treu. Meiner Wahrnehmung nach haben Frauen an unterschiedlichen Stellen eines Bewerbungsverfahrens oft unbegründete Unsicherheiten – unabhängig davon, ob sie gerade aus der Elternzeit oder zum Beispiel aus einem Sabbatical kommen oder grundsätzlich nach einem neuen Job suchen. Dieses Gefühl beeinflusst Bewerberinnen so stark, so dass Entscheidungen letztendlich nicht so getroffen werden, wie man sie gerne treffen würde. Ein Beispiel und oft auch der Klassiker ist – wie vielen bekannt, aber dennoch wichtig zu erwähnen ist – die Stellenausschreibung: Wenn beispielsweise eine von den zehn aufgelisteten Anforderungen nicht zutrifft, werden Bewerberinnen kritisch und überlegen, ob die Bewerbung Sinn macht.

"Meiner Wahrnehmung nach haben Frauen an unterschiedlichen Stellen eines Bewerbungsverfahrens oft unbegründete Unsicherheiten – unabhängig davon, ob sie gerade aus der Elternzeit oder zum Beispiel aus einem Sabbatical kommen oder grundsätzlich nach einem neuen Job suchen."

Atena Rabou-Degenkolbe

Zwei Bewerbungen für die gleiche Stelle. Einmal von einem Vater, einmal von einer Mutter. Nach Deinen Erfahrungen, erwähnen beide Geschlechter, dass sie Kinder haben? Merkst Du hier einen Gender-Unterschied bei den Bewerbungen von Eltern?

Die Anzahl der CVs, in denen beide Elternteile zum Familienstand auch ihre Kinder nennen, nimmt aus meiner Wahrnehmung heraus zu. Hier sehe ich selten Unterschiede. Ich denke, dass das auch generationsbedingt ist. Genauso nimmt auch der offene Umgang der Väter mit der Elternzeit zu. Es ist mittlerweile selbstverständlich, dass Väter sich an der Elternzeit beteiligen und ihre Elternzeit auch nehmen – und davon dann auch im Bewerbungsgespräch berichten. Den einzigen gender-spezifischen Unterschied, der mir in einem CV auffällt, ist der, dass der CV der Frauen oft sehr detailliert und ausführlich in den einzelnen Tätigkeiten ist, hingegen die Erfolge wie Umsatzsteigerungen oder Einsparungen nicht deutlich oder weniger offensiv hervorgehoben werden. Dieses Verhalten spiegelt sich auch im Vorstellungsgespräch wider. Homogener werden die CVs und Gespräche mit Anstieg des akademischen Grades oder Hierarchielevels und die damit verbundenen Aufgaben/Verpflichtungen.

Wie können Mütter in ihrer Bewerbung / ihrem Lebenslauf kennzeichnen, dass sie Kinder haben und was sollten sie beachten? Was hältst Du von Anmerkungen wie „Die Betreuung ist gesichert“ hinter dem Alter der Kinder?

Da gehen die Meinungen auseinander und an dieser Stelle hilft mein Tipp mit den aufgeschriebenen Argumenten und Punkten, den ich eingangs empfohlen hatte. Jede Mutter sollte individuell für sich selbst entscheiden, welchen Standpunkt sie im Leben vertritt und wie die Lebenssituation ist. Authentisch sein ist hier genau der richtige Weg. Es muss zu einem passen. Denn rechtlich gesehen müssen private Angaben wie zum Beispiel der Familienstatus und Kinder im CV nicht gemacht werden. Es gilt sich zu entscheiden, wie man wahrgenommen werden oder sich positionieren möchte. Möchte man in einem potentiellen Gespräch später über die Kinder und die Familie sprechen oder nicht? Möchte man im Bewerbungsgespräch Fragen zu einem möglichen familiären Umfeld und den Optionen, die ein Unternehmen bietet, stellen oder soll Familie und Beruf getrennt gehalten werden?

Ich empfehle allen Müttern und auch Vätern ihre Kinder im CV zu erwähnen. Nicht nur, weil es den offenen Umgang mit dem Thema Familie zeigt, sondern auch, weil Kinder zum Leben dazugehören. Zudem weiß der Arbeitgeber später dann auch, dass gewisse Entscheidungen einfach aufgrund der familiären Situation getroffen werden (müssen).  

Zurück kommend zu dem Satz „Betreuung ist gesichert“ kann ich nur sagen, dass ich diesen obsolet finde. Man würde ja auch nicht das Gegenteil schreiben, wenn Probleme bei der Betreuung bestünden. 

Dein Tipp also. Wie machen wir’s als Mamas am Besten mit dem Thema Lebenslauf und Bewerbungsunterlagen?

Ich kann allen Bewerbern – gleich ob Mann oder Frau, Vater oder Mutter – nur den Rat geben: Legt den Fokus nicht darauf, welchen Eindruck ihr als Eltern auf dem Papier oder im Gespräch hinterlasst, sondern achtet viel mehr darauf, dass der CV a) keine Widersprüche aufweist, b) mit dem Werdegang auf den Social Media Plattformen (LI und XING) übereinstimmt und c) neben den beruflichen Themen auch private Projekte und Hobbies enthält.

Habt ihr ein spannendes Hobby, führt ihr einen Blog oder habt ihr parallel zum Job oder während der Elternzeit eine Fortbildung absolviert, dann nehmt es mit auf und berichtet davon. Nur so, kann euer zukünftiger Arbeitgeber ein besseres Bild von euch bekommen.

Thema Elternzeit: Rein in den Lebenslauf oder nicht? Und wenn ja, dann wie am besten?

Ich denke nicht, dass die Elternzeit im CV ausschlagegebend dafür sein wird, ob eine BewerberIn zum Gespräch eingeladen wird oder nicht. Da sind andere Punkte wie Erfahrung und Skill-Sets wichtiger. Daher empfehle ich, die Elternzeit mit reinzunehmen – insbesondere dann, wenn es im Arbeitszeugnis auch vermerkt ist;  einfach als Tätigkeitsbeschreibung im fortlaufenden CV mit Datum hinzufügen.

Diese Zeit nicht zu erwähnen birgt mehr Fragezeichen – auch später im Bewerbungsgespräch – als ganz offen und selbstverständlich damit umzugehen. Umgekehrt erwartet man als BewerberInn eine entsprechende Transparenz seitens des Unternehmens.   

Nach Deiner Erfahrung: Wie häufig sprechen Väter in Bewerbungsgesprächen darüber, dass sie Väter sind? Und wie häufig sprechen Mütter das Thema an?

Auch hier sehe ich, dass immer mehr Eltern von der Familiensituation berichten und es auch immer selbstverständlicher wird, dass Väter die Elternzeit mit der Familie bewusst nutzen und im Vorstellungsgespräch gerne von dieser Zeit erzählen.

Meiner Meinung nach macht auch nicht die Häufigkeit den Unterschied aus, sondern viel mehr die Art und Weise wie Familie gelebt wird. Wenn das Familienmodell nicht traditionell gelebt wird und die Mutter bereits nach wenigen Monaten zurück im Job ist und beide Elternteile gleichermaßen das Familienmanagement übernehmen oder der Vater einen größeren Teil der Aufgaben verantwortet, berichten Mütter dann doch etwas ausführlicher darüber. Wird das Familienmodell klassisch gelebt, dann wird es auch nicht sonderlich erläutert. 

Was Bewerbinnen mit Familie oft interessiert: Wann kann man im Bewerbungsverlauf nach den Rahmenbedingungen die für eine Familie wichtig sind fragen? Also, flexible Arbeitszeiten, Arbeiten von Zuhause etc.?

Das erste Gespräch dient in den meisten Fällen des Kennenlernens:  Unternehmen und BewerberInn schauen, ob die Basis auf menschlicher und fachlicher Ebene stimmen könnte, um dann im nächsten Gespräch detaillierter zu werden. Ich empfehle daher, den Fokus darauf zu legen – unabhängig davon, ob man Kinder im CV erwähnt hat oder nicht. Ist Dir aber wichtig in Erfahrung zu bringen, wie das Unternehmen mit dem Thema Familie umgeht, dann kannst Du und solltest Du es natürlich im Verlauf des Bewerbungsgespräches ansprechen. Stell Deine Fragen.

Wichtig ist, dass Du am Ende des Gesprächs selbst weißt, was auch inhaltlich im Job gefordert wird und ihr die meiste Zeit nicht nur über Familie gesprochen habt. Denn letztendlich muss Du dir auch Gedanken zu der Stelle und den Anforderungen machen.

Viele Frauen fürchten nur noch als „die Mama“ im Bewerbungsprozess gesehen zu werden, ist dieser Gedanke völlig falsch oder durchaus begründet? Wie sind Deine Erfahrungen mit dem Umgang mit dem Mamamsein im Bewerbungsprozess?

Unbegründet ist dieser Gedanke nicht. Ich denke, dass die Arbeitswelt, so wie sie früher gelebt wurde, diesen Gedanken und dieses Bild kreiert hat. Nicht nur für Bewerbungsverfahren sondern auch im Job selbst. Umso erfreulicher ist es, dass sich die Arbeitswelt verändert und Unternehmen gezwungenermaßen auch zum Umdenken bewegt. Grund hierfür sind Debatten der letzten Jahre wie zum Beispiel die der Frauenquote oder die aktuelle Diskussion über Vorständinnen und ihre Mandatsniederlassung in der Elternzeit und die daraus resultierende Stayonboard Kampagne von Verena Pausder.

Wir haben hier also noch viel zu tun. Aber genau aufgrund dieser Diskurse ändert sich die Arbeitswelt und somit auch die Einstellung der Unternehmen und Entscheider. Es werden neue Modelle eingeführt, wie beispielsweise das Job-Sharing oder einfach auch die Möglichkeit, Arbeitszeiten so flexibel wie möglich zu gestalten. Der Diskurs und das Experimentieren unterschiedlicher Job-Modelle dürfen nur nicht aufhören. Wir können uns nicht über den demografischen Wandel und den Kampf um Talente beschweren, uns aber als Unternehmen nicht aus der Komfortzone herausbewegen wollen.

Viele Working Moms im Mama Meeting Business Club sind hochqualifiziert, hatten vor ihrer Elternzeit Senior- und Führungspositionen, danach heißt es oft: Als Mama geht das nicht mehr, weil man dem Unternehmen sind 24/7 zur Verfügung steht. Woher kommen diese Bedenken? Und wie können Working Moms diese Bedenken auflösen?

Eltern haben nach der Rückkehr aus der Elternzeit das Recht auf eine gleichwertige (Qualifikation, Bezahlung, Arbeitszeit) Position im Unternehmen. Die Bedenken, dass das Arbeiten in einer Führungsposition mit Kind nicht machbar ist, wird sicherlich auch vom Umfeld sowie der Gesellschaft determiniert. Hier ist es wichtig, sich selbst vorab zu hinterfragen, wie man sich das zukünftige Arbeiten und die damit verbundene Work-Life-Balance vorstellt. Bekanntermaßen muss man nicht 24/7 arbeiten, um Qualität und Erfolge zu liefern und eine Führungsposition als Mutter sollte natürlich möglich sein. Die Art und Weise, wie man arbeitet und sich organisiert, ist wesentlich. Habt Geduld, wenn der Ablauf nicht direkt in den ersten Wochen nach der Rückkehr reibungslos funktioniert – habt Geduld mit euch selbst und bleibt im Gespräch und im Austausch mit euren Vorgesetzten.

Sind ArbeitgeberInnen ausreichend für Bewerbungsprozesse mit Working Moms sensibilisiert? Was müssen/sollten ArbeitgeberInnen hier beachten?

Je nach Branche stecken wir hier leider noch in den Kinderschuhen. Bei einer Jobbesetzung und der hierfür erforderlichen Sensibilität kommt es auf mehrere Faktoren wie Branche, Unternehmensgröße, Tätigkeitsbereich etc. an. Historisch geprägte und in ihren Strukturen alt eingesessene Unternehmen benötigen für eine Veränderung wahrscheinlich mehr Zeit, Geduld und Befürworter, als ein kleines Unternehmen oder ein Start-Up. Ein administrativer Job, in dem man unabhängig von Ort und Zeit seiner Tätigkeit nachgehen kann, ist natürlich einfacher zu planen als ein Vertriebsjob, in dem Kunden nur zu den üblichen Officezeiten erreicht werden können.

Diese Umstände hat ein Unternehmen natürlich im Hinterkopf,- wenn es um die Stellenbesetzung und Auswahl der BewerberInnen geht. Hinzu kommt noch der menschliche Fit. Meiner Meinung nach fängt es schon damit an, dass das richtige HR und/oder Recruiting Team im Unternehmen tätig ist. Dieses Team trifft die Vorentscheidung und muss daher ein sehr gutes und geschultes Auge für Potentiale haben. Damit steht und fällt alles. Ist einmal im War of Talents die richtige Person gefunden, gilt es, die Stelle anzupassen. Nur so erzielt ein Unternehmen ein für alle Beteiligten gewinnbringenden Outcome. Denn, wie ihr schon in der vorherigen Frage gut beschrieben habt, in Deutschland leben und arbeiten hochqualifizierte Frauen, die finanzwirtschaftlich einen positiven Beitrag leisten können und wollen. Diese gilt es zu finden, zu halten und individuell zu fördern. 

Vielen Dank für den Input rund um Bewerbungen und Bewerbungsprozesse für Working Moms. Wer direkt mit Atena in Kontakt treten möchte, erreicht sie über LinkedIn: Zum LinkedIn-Profil von Atena.

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