Familienmodelle sind vielfältig: Circa 11 Prozent der Paare mit Kindern in Deutschland sparen sich den Gang zum Standesamt und 2020 lag die Scheidungsrate von Eltern bei 38,5 Prozent. Laut Familienreport 2020 sind 19 % der Familien Alleinerziehende. Bloggerin, Autorin und MMBC-Member Sarah Zöllner ist bzw. war eine von diesen 19 %. An ihrer Geschichte zeigt sich, wie sehr sich Familien im Lebensverlauf verändern und neu zusammenfinden: Sie hat sich 2017 vom Vater ihres Sohnes getrennt, das Wechselmodell gelebt und mit einem neuen Partner eine neue Familie gegründet. Im Gespräch mit Mama Meeting teilt sie ihre Erfahrung: 

MMBC-Member Sarah Zöllner ist Lehrerin, Journalistin, Bloggerin und Autorin

Liebe Sarah, beim Blick auf die Scheidungsraten in Deutschland ist die Patchwork-Familie das Familienmodell der Zukunft. Du bist berufstätige Mutter eines Sechsjährigen sowie eines Kleinkindes und lebst mit einem neuen Partner zusammen. Kam Dir der Prozess Eurer Patchwork-Findung als etwas Modernes, inzwischen normales oder bei vielen noch als Novum angesehenes vor?

Patchwork ist ja eine Art „Sammelbegriff“ für viele verschiedene Formen von Familie. Bringen beide Partner:innen eigene Kinder mit, gibt es weiteren gemeinsamen Nachwuchs, welche Umgangsregelung besteht zu den Ex-Partner:innen und sind diese im Alltag sehr präsent? Das alles bestimmt, wie sich das Leben in der Patchwork-Familie gestaltet.

Ich persönlich empfinde Patchwork heutzutage bei fast 40% geschiedenen Ehen tatsächlich als fast normal – das heißt allerdings nicht, dass die konkrete Umsetzung mit Kind, neuem Partner und Ex-Partner sich auf der persönlichen Ebene für alle Beteiligten nicht erst einmal ungewohnt und auch herausfordernd anfühlen kann. Letztlich würde ich sagen: Gegenseitiger Respekt, ein möglichst klarer Austausch darüber, was alle Beteiligten wollen und brauchen und wertschätzende Kommunikation sind auf jeden Fall wichtig. Im Alltag definitiv immer wieder eine Herausforderung! 😉

2017 hast Du dich vom Vater deines ersten Sohnes getrennt. Nach der Trennung habt Ihr euch für das Wechselmodell als Umgangsform entschieden. Was sind die Vor- und Nachteile eures Wechselmodells für Euch?

Ein Vor- UND Nachteil zugleich ist sicher, dass das Wechselmodell relativ viel Austausch mit dem Ex-Partner erforderlich macht. Wir hatten das Modell anfangs mit einem zweitägigen Wechsel gestaltet, da unser Sohn noch relativ klein war und sahen uns entsprechend oft. Das war, frisch getrennt, nicht gerade leicht für mich. Allerdings lässt sich das Modell auch so umsetzen, dass die Übergabe über Dritte, also z.B. den Kindergarten, erfolgt und man sich nicht persönlich begegnet.

Einen großen Vorteil sah und sehe ich in der Rolle beider Eltern als gleichwertige Bezugspersonen. Einen Nachteil in der Unruhe im Alltag, der durch die Wechsel zwischen zwei „Zuhausen“ für das Kind entstehen kann. Für mich als Mutter war die Zeit ohne meinen Sohn oft eine Möglichkeit, mich zu erholen oder mich verstärkt beruflich zu engagieren – insofern boten sich mir dadurch Freiräume, die ich alleinerziehend mit Kleinkind und einem „Wochenendpapa“ sicher nicht gehabt hätte.

Wichtig ist mir, das Modell nicht starr und auf immer festgelegt zu gestalten. Stattdessen finde ich sehr wichtig, zu fragen: Was brauchen alle Beteiligten und was ist für das jeweilige Alter und auch für die Persönlichkeit des Kindes am besten? Auf jeden Fall erfordert das Modell ein ordentliches Maß an gegenseitiger Rücksichtnahme, Kommunikationsfähigkeit und innerer Reife.

 

Du warst für insgesamt 3 Jahre alleinerziehend - Vor welchen Herausforderungen standest Du mit deinem Sohn? Vor allem hinsichtlich der Vereinbarkeit deines Berufslebens, dem wechselnden Aufenthalt deines Sohnes und der Zeit für Dich?

Direkt nach der Trennung hatte ich den starken Wunsch nach Austausch mit anderen Müttern und auch Vätern in meiner Situation. Daraus ist 2018 mein Blog entstanden, ebenso wie ein regelmäßiger Stammtisch für Allein- und Getrennterziehende in Köln, den ich drei Jahre lang organisierte. Beruflich und auch privat ermöglichte mir das Wechselmodell, wie schon gesagt, Freiräume, die ich ganz allein mit Kleinkind so sicher nicht gehabt hätte. Allerdings war ich während meiner Betreuungszeiten auch wirklich 100% für alles verantwortlich, ohne Partner, der „mal eben schnell“ einspringen konnte, wenn ich zum Beispiel einen beruflichen Termin außerhalb der Kita-Zeiten hatte. Eine Herausforderung waren immer Wochenenden und Ferienzeiten. Da kam ich schon manchmal an meine Grenzen und fühlte mich auch allein. 

Quelle: Statistisches Bundesamt: Mikrozensus 2019 Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

In Deinem mutter-und-sohn.blog hast du damals angefangen deine Gedanken und Sorgen nach der Trennung aufzuarbeiten. 2020 erschien dann Dein erstes Buch „Alleinerziehend – und nun?", worin Du deine Erfahrungen, Reflexionen und Gedanken über die Trennung von Deinem ersten Partner und das Leben mit eurem gemeinsamen Sohn verarbeitest. Erzähl uns gerne mehr über die einzelnen Kapitel. Wer sollte dieses Buch unbedingt lesen?

Lesen sollte dieses Buch, wer sich nach einer Trennung oder einem Verlust danach sehnt, zu erfahren, wie es einer Frau und Mutter ging, die in einer ähnlichen Situation war und aus tiefer Trauer heraus zu neuer Kraft und Orientierung gefunden hat. Dabei sind die im Buch gesammelten Texte kein Erfahrungsbericht, sondern in sich abgeschlossene kurze Denkanstöße und Reflexionen, die einen Bogen spannen von Abschied und Verlust hin zu Neuorientierung und dem Mut, sein Leben nach den eigenen Werten und Vorstellungen zu gestalten.

Ein wichtiges Kapitel behandelt auch die Frage der eigenen Rolle in einer Partnerschaft und in welcher Weise sich Familie auch nach einer Trennung gemeinsam leben lässt. Wie mir eine Leserin schrieb: „Ein Buch, das Mut macht, den Blick auf das Positive lenkt und seine Leser:innen darin bestärkt, das große Potential der persönlichen Weiterentwicklung in den eigenen Lebenskrisen zu sehen und zu finden.“ Über diese Rückmeldung habe ich mich sehr gefreut, denn sie formuliert treffend, was meine Absicht beim Schreiben des Buches war.

Seit 2020 bist Du auch als freie Autorin für verschiedene Print- und Online-Medien tätig und schreibst über die diverse Themen wie Familienpolitik, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Alleinerziehend Sein und gibst Tipps für das Leben mit Kind. Hast Du für unsere Leserinnen 3 top Learnings, die Du aus deiner Zeit als alleinerziehende Mutter mitgenommen hast?

 

  1. Urlaub ganz allein mit kleinem Kind ist stressig. Viel besser: Tu dich mit anderen Müttern und Vätern in deiner Situation zusammen und verreise gemeinsam mit anderen Allein- oder Getrennterziehenden – es ist so viel lustiger und entspannter! 🙂

  2. Wenn unsere Gesellschaft Alleinerziehende wirklich stärken will, muss sie mehr als finanzielle Entlastung bieten. Stattdessen brauchen wir neue Lebens- und Arbeitsmodelle, die die Bedürfnisse von Familien klar berücksichtigen und zum Beispiel zeitliche und räumliche Flexibilität ermöglichen. Das hilft allen Eltern, Alleinerziehenden aber besonders. 

 

  1. Alleinerziehend zu sein ist eine Herausforderung, fühlt sich manchmal einsam an und bringt ein konkretes finanzielles Risiko mit sich – gerade für Mütter, die über 90 Prozent aller Alleinerziehenden ausmachen. Aber auch alleinerziehend ist ein gutes, selbstbestimmtes und in jeder Hinsicht reiches Leben möglich. Um das zu erleben, darf ich mich als Alleinerziehende gut kennen lernen, darf mir meiner Stärken und Schwächen bewusst werden und lernen, mich anderen zu öffnen und auch Hilfe anzunehmen. So mache ich nicht nur die Erfahrung, mit meiner Form, Familie zu leben, gar nicht „allein auf weiter Flur“ zu sein, sondern kann an meiner Trennung tatsächlich wachsen und mich und das Leben ganz neu entdecken. 

Vielen Dank für das spannende Gespräch! Mehr zu und von Sarah Zöllner findet ihr auch im Mama Meeting Business Club und auf mutter-und-sohn.blog

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