Wie schneiden unsere Vorstellungen von Vereinbarkeit im internationalen Vergleich ab? Was können wir rund um Mutterschutz, Elternzeit und Wiedereinstieg aus anderen Ländern lernen? Struggeln wir alle mit den gleichen Work-Life-Herausforderungen und -Vorurteilen oder gibt es internationale Unterschiede?

Wir haben mit MMBC-Member und Unternehmerin Elisabeth Molzbichler über das Leben und Arbeiten als berufstätige Mutter in Österreich gesprochen. Elisabeth lebt mit ihrer Familie in Wien, war lange im Bereich Messe- und Großveranstaltungen tätig und hat nach der Geburt das Netzwerk Business Moms Austria für Berufstätige und Selbstständige Mütter in Österreich gegründet.

Foto: Barbara Lachner

Liebe Lisi, wie sieht’s in Österreich aus mit Mutterschutz, Elternzeit etc.? Wie lange, mit welchem Ausgleich sind Working Moms rund um die Geburt raus aus dem Job?

In Österreich beginnt der Mutterschutz lt. gesetzlicher Regelung 8 Wochen vor dem errechneten Geburtstermin und endet auch 8 Wochen nach der Geburt (Ausnahmeregelungen bei Frühgeburt und Mehrlingsgeburten). Bei Problemen in der Schwangerschaft kann man sogar vorzeitigen Mutterschutz in Anspruch nehmen, der ab der 16. SSW vom Arzt bescheinigt werden kann. Nach der Geburt des Kindes können unterschiedlichste Modelle der Elternzeit in Anspruch genommen werden. Dabei ist das Kinderbetreuungsgeld (und dessen Beanspruchungszeitraum) unabhängig von der Elternzeit, die mit dem Arbeitgeber vereinbart wird.

Aktuell gibt es eine Pauschal-Variante sowie eine gehaltsabhängige Variante beim Kinderbetreuungsgeld: In der Pauschal-Variante können Mütter von 12 bis zu 36 Monate Kinderbetreuungsgeld beantragen – > wobei die Höhe der Beträge von der Dauer und dem  Einbezug des Vaters abhängen. Ein Beispiel dazu: Mama geht 18 Monate in Elternzeit, Papa 6 Monate = Gesamtbezug des Kinderbetreuungsgeldes für 24 Monate ist höher als in einer Variante, in der nur alleine Mama 24 Monate beansprucht. Hier soll aktiv die Familienzeit des Vaters gefördert werden. Eine weitere Variante des Einkommens-abhängigen Kinderbetreuungsgeldes ist für Höher-Verdienende interessant – hier bekommen Mamas bis zu 80% des letzten Einkommens (bis zu einem Höchstbezug von knapp 2.000 Euro netto monatlich).

Lt. Gesetz sind die Arbeitgeber in Österreich dazu verpflichtet, die Mamas bis zu 2 Jahre (ab Tag der Geburt) für die Elternzeit zu genehmigen – wobei jede Mama auch kürzere Zeiten in Anspruch nehmen kann. Anschließend haben Mamas den Anspruch wieder ins Unternehmen zurück zu kehren, einen gleichen, oder adäquaten Job zu bekommen – jedenfalls aber inklusive tariflichen Erhöhungen und Vorstufungen aliquotiertes Gehalt wie vorher zu beziehen.

Das Österreichische Gesetz ist hier ein wahrer Dschungel und bietet viele Ausnahmen und Regelungen im Individualfall, aber eigentlich sind die Mütter hier ganz gut geschützt. Ich hoffe ich habe das wesentliche auf den Punkt gebracht. 🙂

Wie verläuft der Wiedereinstieg? Arbeiten Working Moms in Österreich eher in Vollzeit oder Teilzeit?

Wenn man sich die statistischen Daten von 2019 im Detail anschaut, dann ist zu erkennen, dass nur knapp 70 % aller Frauen in den vorherigen Beruf zurückkehren, bzw. mit Kindern unter 15 Jahren wieder arbeiten gehen. Unter diesen 70 % der erwerbstätigen Müttern lag 2019 die Teilzeitquote bei knapp 75%. Werden die Kinder älter – also über 15 Jahre alt, arbeiten hier zu Lande wieder mehr als 86% der Mütter, davon immer noch bei knapp 50% in Teilzeit. (Statistik Austria)

Es gibt hierzulande zahlreiche Programme und Institutionen, die sich mit dem beruflichen Wiedereinstieg der Mütter beschäftigen. Es soll den Müttern vereinfacht werden, Vereinbarkeit zu leben. Die Unternehmen werben mit Familienfreundlichkeit und Co. Mein subjektiver Eindruck ist jedoch, dass die Mütter immer nur als „halbe“ Arbeitskräfte oder gar als „minderwertig“ angesehen werden.
Warum? Aus meinem Netzwerk der Business Moms Austria höre ich immer wieder Aussagen wie: „Ich habe mich selbstständig gemacht, weil ich von meinem Arbeitgeber nicht mehr respektiert wurde und nur noch unwichtige Aufgaben übertragen bekommen habe – dabei habe ich studiert und war vorher sogar auf einer leitenden Position und wollt auch beruflich wieder Verantwortung übernehmen“ oder „Ich bin heute selbstständig, weil mein Arbeitgeber zu unflexibel war und mich die Kollegen nicht mehr eingebunden haben. Termin wurden absichtlich auf Nachmittags verlegt, sodass ich nicht teilnehmen konnte“ und so weiter und so fort.

Wie leicht/schwer ist es in Österreich eine Kinderbetreuung zu finden? Wie teuer ist Kinderbetreuung für berufstätige Familien in Österreich?

In Ballungszentren ist die Auswahl und Dichte der Kinderbetreuungseinrichtungen sicherlich eher in Ordnung, aber sobald es in ländlichere Gegenden geht wird es sehr schwierig. Krabbelgruppen sind sehr selten, Tagesmütter sehr teuer und überlaufen und oft haben die Mütter gar keine andere Wahl als zu warten bis ihre Kids 2.5 Jahre alt sind und einen Anspruch auf einen Kindergartenplatz bekommen.
Hier spießt sich die gesetzliche Regelung, nach der die Mamas einen Anspruch auf ihren sicheren Arbeitsplatz bis zum 2. Geburtstag des Kindes haben, ein wenig mit der Versorgung durch Kindergartenplätze. Vor allem am Land!

Bildungseinrichtungen unterliegen in Österreich Landesrecht und darunter auch die Kindergärten – somit entscheidet jedes Bundesland selbst, wie hoch die Gebühren für den Kindergarten sind. Einige – darunter auch Wien – fördern den Kindergartenplatz in öffentlichen Einrichtungen. Hier werden dann nur Gebühren für gemeinsame Mahlzeiten und Nachmittagsbetreuung erhoben.

Foto: krakenimages/ Unsplash

Du hast in Deiner Elternzeit eine Gruppe für selbstständige Mamas in Österreich ins Leben gerufen? Wie war die Resonanz?

Ja, ich habe während meiner Elternzeit die Business Moms Austria gegründet – ein Netzwerk für Unternehmer-Mamas. Ein Netzwerk in dem sich die Frauen und Mamas in ihrem beruflichen Tun und Herausforderungen unterstützen, motivieren und inspirieren können.
Ich wollte Gleichgesinnte treffen, schauen wie es anderen Mamas, die auch Unternehmerinnen sind, geht und wie wir uns gegenseitig unterstützen können. Ich war sehr überwältigt, dass ich innerhalb von einer Woche gleich über 600 Gruppenteilnehmerinnen zusammen hatte – heute über ein Jahr später kann ich voller Stolz sagen, dass wir in Summe bereits knapp 1.700 Facebook-Gruppenmitglieder österreichweit unterstützen.

Gibt es „typische“ Herausforderungen, Vorurteile mit denen gerade Selbstständige Working Moms aus Deiner Sicht/Deiner Erfahrung konfrontiert sind? Wie kann man diesen begegnen?

Ich sage immer, dass weder eine Unternehmerin ohne Kind(er), noch eine Angestellte mit Kind(er) die Sorgen und Herausforderungen einer Selbstständigen Mutter nachfühlen kann. Denn einerseits wird die verfügbare Arbeitszeit durch die Kinder limitiert und andererseits muss man durch persönlichen Einsatz und Zeit Gewinne erzielen. Die große Herausforderung dabei ist, weder Familie noch Business zu vernachlässigen und nachhaltig beides gut zu meistern. Jede Mama darf für ihre Familie und ihr Business die ganz eigene Balance finden. Wichtig dabei ist, sich nicht zu fürchten oder schämen und immer um Hilfe bitten – sei es beim Partner, bei der Oma, bei der Kinderbetreuerin oder auch beruflich bei einer Virtuellen Assistentin, Mitarbeiterin oder Studentin – denn auch berufliche Dinge können outgesourced werden.

Unternehmerin & Mama zu sein wird hier oftmals für „nicht voll“ genommen – dabei haben die meisten Unternehmerinnen, die auch Mama sind den Anspruch an sich und ihr Unternehmen richtig erfolgreich zu werden! Das kann ich mit meiner Initiative und meinem Netzwerk nur unterstützen.

Bei Dir trifft sich die Österreichische Mama-Start-Ups Szene. Wie sieht die so aus? Welche Branchen sind besonders vertreten und in welchen Bereichen wünscht Du Dir mehr Mama-Macherinnen?

Voller Stolz kann ich auch hier behaupten, alle möglichen Branchen in dem Netzwerk zu vereinen, jedoch kann ich auch hier einen Trend zum Coaching erkennen.

Als sehr praktisch orientierte Person wünsche ich mir immer wieder mehr Frauen auch in klassischen Männerberufen – ich glaube, diese Frauen würden unglaublich gut ankommen in der Community und super erfolgreich sein – denn von Frau zu Frau spricht man einfach anders. 🙂

Auf businessmoms.at können sich Selbstständige Mamas in Deinem Verzeichnis listen lassen. Warum ist es für Working Moms so wichtig hier sichtbar zu sein?

Einmal aus technischer und sehr nüchterner Sicht: jede Business Mom bekommt einen Link von meiner Website auf ihre Website – hier sag ich nur: Hallo SEO 🙂

Und aktuell befinden sich über 300 Selbstständige Mamas in diesem Netzwerk, viele weitere Mamas suchen in diesem Verzeichnis nach Personen, die ihnen Lösungen bieten können! Es ist einfach eine schöne Gelegenheit sich noch sichtbarer zu machen.

Mit Events und Deinem Club unterstützt Du Working Moms in Österreich beim Networking. Was sind Deine 3 Networking-Tipps für berufstätige Mamas?

  1. anfangen und einfach tun – es entwickeln sich so tolle und unglaublich schöne Beziehungen daraus! Der gleichzeitig größte Fehler ist: nicht zu netzwerken.
  2. lass dich einfach inspirieren – es gibt so viele tolle, erfahrene und inspirierende Frauen von denen man lernen kann!
  3. Beim Netzwerken steht immer das GEBEN im Vordergrund, nicht allein das NEHMEN – das ist wichtig, damit du nicht in die „Verkaufsfalle“ tappst und dein Netzwerk als Vertriebsnetz nutzt. Ein schönes Zitat, das ich hier bringen möchte: Ein Netzwerk ist wie eine Bank, man muss zuerst etwas einzahlen um etwas abheben zu können. (sinngemäß nach Dr. Ingeborg Rauchberger)

Vielen Dank für den spannenden Input! Mehr zu den Businessmoms.at sowie die Anmeldung zu den aktuellen (auch digitalen) Events findet ihr HIER.

Empfohlene Beiträge