Für viele Eltern ist die Elternzeit auch Reisezeit. Das ging bei uns so weit, dass mein Baby nach zehn Monaten auf der Welt bereits zehn Flüge hinter sich hatte. Im Ausland mit Kind merkte ich eines ganz besonders: Es war einfacher unterwegs mit Baby als zu Hause in Deutschland. Das lag nicht daran, dass mein Sohn besonders ruhig wäre. Er beschwerte sich sehr deutlich, wenn er hungrig war, wenn er müde war und besonders, wenn ihn etwas langweilte.

Als Mama möchte man mit dem Baby manchmal einfach mitweinen
In Deutschland war es für mich anfangs sehr anstrengend länger mit meinem Baby unterwegs zu sein. Weinte mein Baby hier in der Öffentlichkeit, kam für mich der Stress mehrere Augenpaare dazu, die mich böse anstarrten. Manchmal tuschelten die Menschen in Deutschland neben mir, einige wiesen mich unfreundlich darauf hin: “Ihr Kind schreit!” Meist antwortete ich dann: “Ach wirklich? Danke für den Hinweis.” Wenn das Toben meines Babys das Stadium erreicht hatte, indem es zu einem hormonbedingten Schweißausbruch meinerseits kam, war ich kurz davor einfach mitzuheulen. Im besten Fall wurde ich ignoriert und so mit meinem schreienden Baby allein gelassen. Leider ist zuviel wahr am Vorurteil, die Deutschen seien nicht sehr kinderfreundlich. Verheerend ist, dass wir damit auch zugleich sehr mutterunfreundlich sind. Denn in diesen sowieso stressigen Situationen, fühlte ich mich nun auch noch inkompetent als Mutter und als Störungsquelle.
Statt böser Blicke gibt's in anderen Länder Grimassen und Spielzeug
Anders läuft es fast jedes Mal in der Ferne ab. Von der Cote Azur über Spanien bis nach Thailand und Singapur war die Ausgangssituation gleich: Dem Baby missfällt etwas und es macht dies Babytypisch verbal deutlich. Am Flughafen in Bangkok fand mein Liebling das Warten am Check-In so doof, dass er auf meinem Arm tobte. Da drehte sich der Mann vor mir um und fing an Grimassen zu schneiden. Jemand anderes in der Reihe kramte einen Schlüsselanhänger mit einem Stofftier hervor und hielt es ihm hin. Statt eines heulenden Babys hatte ich nun ein kicherndes auf dem Arm. Und das zog sich so weiter, bis mein kleiner Schatz im Flieger erschöpft von all der Unterhaltung einschlief.
Kinderfreudlich bedeutet auch Mamafreundlich
Ich merkte: In anderen Ländern ist man kinderfreundlicher und damit zugleich mamafreundlicher. Die Unterstützung meiner unbekannten Mitmenschen ließ erst gar keine Schuldgefühle aufkommen. Mein Baby wurde nicht als Störungsquelle verachtet und ich als seine Urheberin gerügt, sondern die Menschen um mich herum machten es sich selbst zur Aufgabe, meinem Kind sein herzerwärmendes Lachen zu entlocken. Die Menschen interagierten mit ihm; an den Flughäfen, in den Bahnen, in Hotels, auf der Straße, in Cafés und Restaurants.
Glücksgefühle für alle - statt Schuldgefühlen für Mama
Die bessere Laune anderswo könnte ein Faktor sein. Der springende Punkt ist aber ein anderer: Die Erwartungen an Eltern in Deutschland sehen vor, dass ein Kind allein Elternsache ist. Anderswo, und dafür braucht man nicht ins von Pädagogen gepriesene Schweden oder Finnland zu reisen, versuchen die, die das Kinderweinen vermeintlich stören könnte, aktiv etwas dagegen zu tun. Das rettet nicht nur dem Baby und den Eltern den Tag, sondern auch der Person, die beschlossen hat zu helfen statt sich gestört zu fühlen. Denn das Lachen eines Babys ist ansteckend.
“Danke” wäre besser als “Nein, danke”
Ich versuche diese Einstellung auf mein Alltagsverhalten zu übertragen. Doch merke oft, dass auch wir Mütter in Deutschland das erst einmal lernen müssen. Interagiere ich mit einem anderen Baby, halte ich ihm gar einen Keks oder ein Spielzeug hin, wird meine Unterstützung von der andere Mama häufig abgewehrt. “Ich schaffe das schon. Ich kriege das alleine hin”, deutet sie mir dann mit einem Abwinken und sucht schnell das Weite. Mir wäre ein Danke in dieser Situation lieber und das unausgesprochene Versprechen, dass man auch mir beim nächsten Mal Kekse statt Schuldgefühle entgegenbringt.
